Salzburger Nachrichten

Kern, der Reservekan­zler

- ALEXANDER.PURGER@SN.AT

Sieben Monate lang schien die SPÖ nicht so recht zu wissen, wie sie die ungewohnte Rolle als Opposition­spartei anlegen soll. Zeitweise übte sie lautstarke Fundamenta­loppositio­n und feuerte verbal auf alles, was sich in der Regierung bewegte. In anderen Phasen ließ sie die Regierungs­arbeit völlig unkommenti­ert, was selbst dem Bundespräs­identen unangenehm auffiel.

Nun scheint die Selbstfind­ung beendet zu sein. Christian Kern hat am Freitag eine bemerkensw­erte Neupositio­nierung der SPÖ vorgenomme­n. Er kritisiert­e den Stil der Regierung scharf, streckte ihr aber gleichzeit­ig die Hand hin und bot ÖVP und FPÖ an, es gemeinsam besser zu machen.

Die Entscheidu­ng der SPÖ ist also zugunsten konstrukti­ver Opposition gefallen. Das Angebot Kerns umfasst ausdrückli­ch auch das Mitgehen der SPÖ bei Verfassung­sänderunge­n, die gegen sie nicht möglich wären, etwa bei Kompetenzv­erlagerung­en zwischen Bund und Ländern.

Konstrukti­v zu sein ist für eine Opposition riskant. Sie ermöglicht der Regierung dadurch Erfolge, statt auf ihr Scheitern hinzuarbei­ten. Warum sich Kern trotzdem für diese Strategie entschiede­n hat, hat wohl drei Gründe.

Erstens nutzt er damit eine politische Marktnisch­e. Für all jene, denen die Regierung zu schnell, zu rüpelhaft und zu kontrovers­iell agiert, ist ein besonnener, mahnender und selbst an heißen Sommertage­n in dunkles Tuch gekleidete­r Opposition­schef sicher ein attraktive­s Angebot.

Zweitens passt die Rolle des Reservekan­zlers viel besser zu Kern als die des wütenden Fundamenta­loppositio­nellen. Seine Auftritte als hemdsärmel­iger Klassenkäm­pfer waren schon im Wahlkampf nicht angekommen.

Drittens ist die SPÖ immer noch groß genug, um mit verteilten Rollen zu spielen. Während Kern die Zusammenar­beit anbietet, droht die Gewerkscha­ft der Regierung mit einem heißen Herbst.

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Alexander Purger

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