Spionage mit Haut und Haar
Spionagefilme sind oft melodramatisch oder von einer fast schon rührenden Verharmlosung der in Wahrheit meist brutalen Konfrontation von Geheimdienstapparaten. Wie die Welt wirklich „da draußen“aussieht, in der Kälte, die schon John le Carré eindringlich beschrieb, verdeutlicht „Red Sparrow“auf unangenehm realistische Weise. Keinen Moment zweifelt der Zuschauer an der Brutalität und Heimtücke, mit der die Dienste und ihre Schergen mit Menschen spielen. Das alles wird ausnahmsweise aus russischer Sicht gezeigt, aber man darf getrost annehmen, dass die gezeigten Mechanismen in vielen Spionagediensten gang und gäbe sind. „Der kalte Krieg ist nie zu Ende gegangen“, herrscht eine Ausbildnerin (Charlotte Rampling) die junge Bolschoi-Balletttänzerin Dominika an, die auf Geheiß ihres hinterlistigen Onkels zu einem „Red Sparrow“, einer erotischen Spionin, ausgebildet werden soll. Freilich ist Dominika nicht bereit, sich zu fügen – obwohl sie Opfer einer infamen Erpressung ist und unvorstellbaren Demütigungen ausgesetzt wird. Ein scheinbares Unglück bei einer Bühnenprobe hat ihre Karriere beendet. Bald schon erfährt sie, dass der Ausspruch ihres Onkels zutrifft: „Zufälle gibt es nicht“. Der Unfall war ein Attentat. Und jetzt bleibt der jungen Frau nichts anderes übrig, als in der menschenverachtenden „Red Sparrow“-Anstalt darauf gedrillt zu werden, männliche Spionageziele auszuspionieren und abzuschöpfen. Unter rücksichtsloser Ausnutzung ihrer weiblichen Reize, versteht sich. „Honigtöpfchen“nannte man dies einst bei der Stasi. Für Dominika steht nicht nur die Pflege ihrer kranken Mutter auf dem Spiel, sondern auch ihr eigenes Leben, da sie Zeugin eines Mordes wurde, den sie unter keinen Umständen hätte mitansehen dürfen. „Red Sparrow“zielt trotz des Themas keineswegs unter die Gürtellinie. Allerdings sind eine Reihe von drastischen, auch handfesten Szenen notwendig, um den Ernst der Lage zu verdeutlichen. Jennifer Lawrence ist großartig als kühle, ihrerseits berechnende Hauptdarstellerin, deren Erotik durch eine blonde Perücke noch verstärkt wird. Dass das schmutzige Agentengeschäft – einmal mehr auf dem Rücken der Frauen – durch Anwendung seiner eigenen Gesetze ausgetrickst werden kann, lernen wir in „Red Sparrow“. Zu den Königsdisziplinen der Spionage gehört das Makeln mit Informationen nebst Ausnutzung persönlicher Schwachstellen. Dominikas Schicksal bleibt also bis zum Schluss quälend spannend. Sehenswert!
Dominikas Schicksal bleibt bis zum Schluss quälend spannend