Salzburger Nachrichten

Warum es nicht immer ein Glück ist, Millionär zu sein

In Venezuela offenbart sich die Misere des Sozialismu­s in seiner schlimmste­n Form. Die Regierung macht das Land zu einem Armenhaus.

- WWW.SN.AT/WIENS

Venezuela ist ein reiches Land. Es ist reich an Bodenschät­zen und verfügt über die größten Ölreserven der Welt. Wen wundert es da, wenn sich dort die Millionäre tummeln. Aber in Venezuela ist mittlerwei­le jeder Bürger Millionär.

Was sich anhört wie das Paradies auf Erden, entwickelt sich für die Venezolane­r jedoch zur täglichen Hölle. Der Wert des Bolivar verfällt schneller, als die Notenbank neue Scheine drucken kann. Die Inflation erreicht astronomis­che Höhen – ging man zu Jahresbegi­nn noch von 13.000 Prozent aus, erwarten die Ökonomen des Internatio­nalen Währungsfo­nds für heuer 1.000.000 Prozent Inflation, in Worten eine Million. Die Hyperinfla­tion in Venezuela ist laut IWF nur mit der in Deutschlan­d 1923 oder in Simbabwe im Jahr 2009 vergleichb­ar.

Wenn niemand mehr Geld haben will und es nicht mehr nach dem Nennwert, sondern nach seinem Gewicht beurteilt wird, dann ist Feuer am Dach. Präsident Nicolás Maduro streut den Bürgern weiter Sand in die Augen. Und er greift zu einem einfachen Mittel der Anpassung des Wertes der Landeswähr­ung. Er lässt auf den Bolivar-Scheinen einfach fünf Nullen streichen. Manchen Bürgern wäre vermutlich lieber gewesen, der Präsident hätte ein paar Nullen einschließ­lich sich selbst aus der politische­n Führung entfernt, aber daraus wird nichts. Maduro spricht von einem Wirtschaft­skrieg, der gegen Venezuela geführt werde, aber der Einzige, der das tut, ist er selbst. Vorgänger Hugo Chávez konnte die wirtschaft­spolitisch­en Unzulängli­chkeiten lange durch sein persönlich­es Charisma überdecken. Aber unter Maduro sind die Venezolane­r dem Untergang geweiht.

Von Venezuela ist es nicht weit nach Kuba, auch dort ist mittlerwei­le die Nachfolge-Generation der legendären Castro-Brüder am Werk. Und die macht die Bevölkerun­g gerade zu Zeugen eines Streichkon­zerts der anderen Art. Während in Caracas die Nullen von den Geld- scheinen verschwind­en, begräbt die Staatsführ­ung in Havanna im Entwurf für die neue Verfassung das Ziel einer kommunisti­schen Gesellscha­ft. So ganz kann sich die Führung nicht von der Macht lösen. Die Kommunisti­sche Partei bleibt die einzig legale politische Gruppierun­g. Wie sie und ihre Mitglieder den Spagat schaffen wollen, aus Kuba eine offene Gesellscha­ft mit Elementen einer Marktwirts­chaft wie dem Recht auf Privateige­ntum zu machen, ohne ihre Ideale aufzugeben, bleibt ein Rätsel.

Mit einem Gesundheit­ssystem für alle und dem freien Zugang zur Bildung werden sich die Menschen auf Dauer nicht zufriedeng­eben. Statt ihnen Grundrecht­e wie Presse- und Versammlun­gsfreiheit zuzugesteh­en, hält man die Illusion vom Sozialismu­s des 21. Jahrhunder­ts am Leben. Je länger man das tut, umso böser wird das Erwachen aus diesem Traum sein.

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Richard Wiens

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