Hochwürden weiß sich zu wehren
Er kam, las die Bergmesse und wurde dann Hagmoar vom Hundstein. Vor 40 Jahren schrieb Pfarrer Klaus Laireiter Geschichte. Bereits 1518 tat es Erzbischof Leonhard von Salzburg.
Was da regelmäßig geschah, war ihr suspekt – der hohen Geistlichkeit. Und zwar im höchsten Maße. Denn drinnen in den Bergen verglichen die Senner und Holzknechte ihre Kräfte bei wilden Ringkämpfen. Sommer für Sommer. Immer um den 25. Juli, den Jakobitag. Doch damit nicht genug. Oft, so lautete die Kunde, würden sich die Zuschauer am Rande der Kämpfe regelrecht die Köpfe einschlagen – betrunken und mit Schlagringen bewaffnet. Die mächtige Erhebung, auf der weitab von jeder Besiedlung derart sündhafte Dinge passierten, dieser Hohe Hundstein (2117 Meter) – er galt deshalb manchen Würdenträgern als ein Hort des Bösen.
Erzbischof Leonhard von Salzburg erließ deshalb und wegen der ungeheuerlichen Umtriebe im Jahre 1518 das „Hundstainedikt“. Er drohte, das sogenannte Hosenrecken, welches auf diesem Berg im Herzen des Pinzgaus wie ein Kult gepflegt wurde, zu verbieten – sollte nicht umgehend für Ruhe und Ordnung rund um diesen Brauch gesorgt werden.
Das Edikt belegt heute: Bereits ein halbes Jahrtausend schon, immer um Jakobi, wird auf dem Hundstein geranggelt. Daran wird heuer erinnert. Und noch ein anderes Jubiläum steht an. Ein höchst erstaunliches. Doch dazu später.
Aber, Edikt hin oder her: Gerauft haben die Zuschauer auch später immer wieder. So steht etwa im Buch „Das Ranggeln im Pinzgau“von Ilka Peter zu lesen: „Besonders am Hundstein, wo jeder, der Hagmoar geworden war, ,mords gefeiert wor(d)n is‘, gerieten früher einmal die Zuschauer so häufig aneinander, daß es damals Burschen und Männer gab – so haben es die Großväter der heute Sechzig- und Siebzigjährigen noch miterlebt –, die sich fürsorglich schon beim Aufstieg zum Ranggelplatz ,Daxknidl‘, also Fichtenknüttel, von den Bäumen brachen, um für die voraussichtliche Rauferei gerüstet zu sein.“Gestritten, ob einer der Ranggler „scho glegn is“oder eben nicht, wird auch heute noch.
Jeder weiß, am Hundstein geht’s um den Titel des Hagmoars. Früher gab es eine Hahnenfeder als Auszeichnung für ihn, den Sieger. Heute sind es eine gestickte Fahne und eine schöne Plakette. Die Anerkennung und die Ehre sind für den Hagmoar nach wie vor groß. Wobei: Das Ranggeln auf dem Hundstein blieb immer eine Männersache. Nur ganz selten, und dann in den Nachwuchsklassen, traten „Weiberleit“, also Frauen bzw. Mädchen, an.
Was heißt eigentlich Hagmoar? Wir fragen einen, der es wissen muss. Der 1965, 19-jährig, als damals jüngster Sieger den Ring verließ. Die Rede ist von Günther Heim. Er war Sportler und Funktionär, er ist Buchautor, umsichtiger Chronist und ein „echta Hundstoana“– das ist als hoher lokaler Ehrentitel zu werten. Heim: „Der Hag ist der Zaun. Der Moar, der Meister. Hag wird auch eine eingezäunte Fläche genannt. Und der Meister wird in diesem abgegrenzten Bereich ermittelt.“
Als besiegt gilt, wer auf beiden Schultern zu liegen kommt. Exakt beschrieben hat das erstmals eine Frau. Nämlich Ilka Peter in dem bereits erwähnten 1982 erschienenen Buch „Das Ranggeln im Pinzgau“. Darin penibel geschildert und bebildert sind alle gängigen Würfe. Sie schrieb mit diesem Buch ein Standardwerk. Und vermerkt: „Solange der Jakobitag als Bauernfeiertag galt, wurde das Ranggeln immer am 25. Juli abgehalten.“Ein Gewährsmann aus Maria Alm, Christian Lohninger, sagte ihr: „Dös Jakobiranggeln is oanfoch unser Brauch gwein.“Damit habe er sagen wollen, dass früher nur Ranggler aus den Gebieten rund um den Hundstein antraten, „nämlich solche aus Maria Alm, Saalfelden, Maishofen, Thumersbach, Taxenbach und Dienten“. Der Titel wurde zwischen den „Entan“und den „Herentan“ausgemacht. Also jenen von der Maria Almer Seite und der Taxenbacher Bergseite. Mittlerweile haben sich diese Grenzen stark erweitert.
Doch jetzt zu diesem erstaunlichen Jubiläum, das heuer ansteht: In dessen Zentrum steht einer, der auf dem Berg Geschichte geschrieben hat. Nämlich Klaus Laireiter. Günther Heim schildert in seinem 2014 im Tauriska-Verlag erschienenen Buch „Hundstoa Ranggeln – Mythos. Kult. Tradition“unter dem Titel: „Pfarrer wird Hagmoar“: „Bei herrlichem Sommerwetter und einer noch nie da gewesenen Zuschauerkulisse (über 3000) entwickelte sich das Jakobiranggeln in der Naturarena am Hundstein zu einem unvergesslichen Bergfest“.
Heim, 1978 erstmals als Sprecher am Hundstein im Einsatz, schreibt: „Klaus Laireiter hatte im Mai 1978 seine Primiz gefeiert und zelebrierte daher erstmals die Bergmesse. Er hielt eine für alle Bergfreunde beeindruckende Predigt. Nach der Bergmesse tauschte er dann das Messgewand mit dem Rangglerg’wand und entschied die Klasse II souverän für sich. In der Hagmoarklasse gab es 16 Starter. In seiner bestechenden Tagesverfassung siegte er weiter und begeisterte die Zuschauer mit spektakulären Würfen. Nach drei Siegen stand der Hagmoar 1978 fest. Es war Klaus Laireiter aus Großarl.“Im Finalkampf bezwang er Gerhard Luger aus Bischofshofen und damit den Landesmeister. „Der Klaus warf ihn im Finale um. Er beherrschte spektakuläre Würfe, vor allem den ,Knupfer‘.“
Nicht immer gab es am Ende auch einen Sieger, einen Hagmoar. Das blieb freilich eine Ausnahme. Geranggelt wird bei Wind und Regen. Und wenn es dann mitten im Sommer schneit, wird das urige Kräftemessen zum Härtetest. 1984 trafen Anton Rieß (Rauris) und Josef Gruber (Uttendorf) im Finale aufeinander. 80 Minuten rangen die beiden, mit klammen Fingern, barfuß, völlig durchgefroren. Dann wurde der Kampf beendet. Weil es bei strömendem Regen, in den sich immer wieder kleine Schneeflocken mischten, nicht mehr zumutbar war.
Wem gehört eigentlich dieser Berg, der immer wieder als mystisch beschrieben wird? „Das Statzerhaus auf dem Gipfel des Hundstein gehört zur Katastralgemeinde Maria Alm (Aberg Nr. 13)“, notierte Konrad Nusko in seinem 1972 erschienenen Buch „Hagmoar von Hundstoa“. Aber das ist nur ein Teil der Wahrheit. Die Pinzgauer müssen mit einem Umstand leben, der gar nicht nach ihrem Geschmack ist. Der Hundstein ist nämlich besitzrechtlich ein Wiener! Nusko, dieser Erzpinzgauer und echte Hundstaoana, schreibt: „Das ganze oberste Hundsteingipfelmassiv hat der Österreichische Touristenklub Wien den Alpbauern abgelöst. Dadurch ist der Gipfel des Hohen Hundstein ein Wiener geworden.“Wird quasi im 24. Wiener Gemeindebezirk auf 2117 Metern Seehöhe mit Blick auf die Hohen Tauern um die Hagmoar-Ehre gekämpft? Nein, denn der Ranggelplatz liegt auf Grund der Gemeinde Bruck!
Die Schlussfolgerung von Ilka Peter zum Hagmoar an sich klingt plausibel: „Da zum Ranggeln weit mehr als pure Kraft vonnöten ist, nämlich auch Klugheit und Entscheidungskraft im richtigen Augenblick, soll es schon vorgekommen sein, daß man einen Hagmoar wegen dieser Eigenschaften zum Bürgermeister oder für ein anderes Amt wählte.“Politikercasting beim Ranggeln auf dem Hundstein? Klingt interessant.
Der Herr Pfarrer beherrschte spektakuläre Würfe. Günther Heim Ex-Hagmoar