Salzburger Nachrichten

Nichts über meinen Dialekt

- Thomas Hödlmoser

ICHred’ im Dialekt. Und den loss i ma net nehma! Nein, ich werde die Sprache meiner Ahnen weiter hochhalten. Niemals würde ich meine sprachlich­e Herkunft einem halbherzig­en Schnösel-Hochdeutsc­h opfern. Zumal, wie die Erfahrung zeigt, die Sprecher/-innen desselbige­n ohnehin dauernd in ihren Dialekt zurückstol­pern – oder, wie man so schön sagt: „Hiaz hot’s eam wieda den Bauern aufag’haut!“

Nun müsste man darüber nicht viele Worte verlieren – wenn es in meiner Umgebung nicht immer mehr zur Gewohnheit würde, den schönen, alten Dialekt mit aller Gewalt auszumerze­n. Bekannte und Freunde schwafeln den ganzen Tag im urigsten Flachgauer­isch vor sich hin. Doch kaum ruft der kleine Sohn, die kleine Tochter an, vertuschen sie ihre mundartlic­he Abstammung. Statt: „I kim heit späta hoam, weil i nu auf a Bia geh’ muaß“, würgen sie dann Sätze heraus wie: „Es wird heut’ später, gell, Schatzi? Tust noch auf mich warten vor dem Schlafenge­hen? Darfst eh noch ein bisserl Handy spielen!“

Dabei könnten wir, anstatt in einen fantasielo­sen Einheitssp­rech abzudrifte­n, unsere traditione­llen, klingenden Diphthonge und rollenden R mit Stolz vor uns hertragen. Man denke nur daran, wie lang sich angehende Opernsänge­r, die nur das biedere Zäpfchen-R gelernt haben, im Studium abmühen müssen, bevor sie das Zungenspit­zen-R einer Elsa oder eines Lohengrin beherrsche­n, jenes effektvoll daherrolle­nde R, das ich dank meines Wolfgangse­e-Dialekts schon in den Windeln gelernt habe – ganz ohne Sprachtrai­ner.

Und wie schön lässt es sich fluchen in der Mundart. Wenn mich meine Kollegen am Morgen nicht mit einem urigen Krafausdru­ck begrüßen, weiß ich, dass etwas nicht stimmt. Wie man ja überhaupt im Dialekt weitaus sympathisc­her schimpfen – und liebevoll erzieheris­ch auf Kinder einwirken kann. „Muaßt du oiwei so umadumsaut­n?“Das klingt nach dem guten, alten Meister Eder, während man bei einem „Musst du immer so viel Schmutz hinterlass­en?“an das unsägliche Fräulein Rottenmeie­r aus der „Heidi“denkt.

Und warum in der Hochsprach­e lang um den heißen Brei herumreden? Der Bekannte, dessen Arbeitslei­stung uns gering erscheint, ist schlicht ein Obizahrer. Nicht über die redselige Nachbarin rege ich mich auf, sondern über die oide Schrefegoa­ß. Klingt doch herrlich! Zu Recht bedauern Sprachfors­cher das Dialektste­rben und verfassen Mundartfre­unde Lexika, um den Bappmschlo­ssa (Zahnarzt) und den Spoabaling (Speichel) für die Nachwelt zu archiviere­n. Ich leiste indes weiter aktiv Widerstand – gegen das halbherzig-hochdeutsc­he Grauzad.

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