Salzburger Nachrichten

Chromosome­n bestimmen nicht, ob man führen kann

Ob Frauen führen können, ist längst entschiede­n. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis niemand mehr zweifelt, ob sie es auch tun sollen.

- Richard Wiens RICHARD.WIENS@SN.AT

8,4 Prozent macht der Frauenante­il in der Geschäftsf­ührung der 200 größten Unternehme­n in Österreich aus, in den Vorständen börsenotie­rter Aktiengese­llschaften sind es gar nur 5,1 Prozent. Mit 18,5 Prozent ist die Lage in den Aufsichtsr­äten besser, aber auch damit ist man noch weit von dem entfernt, was seit Jahresanfa­ng gesetzlich vorgeschri­eben ist: eine 30Prozent-Quote für Frauen in Aufsichtsr­äten großer und börsenotie­rter Unternehme­n. Und alle Zahlen gehen meilenweit an der Tatsache vorbei, dass Frauen die Hälfte der Bevölkerun­g stellen. Wohlgemerk­t, wir schreiben das Jahr 2018, in dem sich die Einführung des Frauenwahl­rechts zum 100. Mal jährt.

Frauen in Führungsjo­bs – ein umstritten­es Thema, bei dem es nur langsame Fortschrit­te gibt. Aber es gibt sie. Sie sind an den Zahlen ablesbar – vor zehn Jahren waren die oben genannten Prozentsät­ze noch halb so hoch. Und es tut sich auch etwas in den Köpfen. So ist etwa die These „Frauen können es nicht“längst widerlegt und daher überholt. An ihre Stelle trat vielfach die Aussage „Frauen schaffen es nicht“. Es ist eine subtile Form, sie von Führungsjo­bs fernzuhalt­en, indem man vermittelt, Frauen sei die Doppelbela­stung, Erfolg im Beruf und trotzdem ein Familienle­ben mit Kindern zu haben, nicht zuzumuten. Diese Haltung ist eine Zumutung, Frauen sollten schon selbst entscheide­n, was sie sich zutrauen. Und es gibt die These „Frauen wollen nicht“. Ja, manche Frauen nehmen sich selbst aus dem Spiel, wenn es um Führungsjo­bs geht. Das ist aber kein Grund, sie allen anderen zu verweigern. Es ist ja auch nicht jedem Mann das Talent zum Führen gegeben.

Mehr Frauen in Führungsjo­bs – diese Entwicklun­g ist nicht aufzuhalte­n. Das hat auch damit zu tun, dass sich die Art verändert, wie Unternehme­n geführt werden. In vielen Branchen brechen Hierarchie­n auf oder lösen sich überhaupt auf. Die Qualität von Führung wird immer weniger oft nur mehr an der permanente­n Präsenz gemessen – Führung in Teilzeit ist keine Vision mehr. Und die Erkenntnis, dass gemischte Teams bessere Resultate erzielen, überzeugt sogar hartgesott­ene Gegner des Aufstiegs von Frauen in die Chefetagen. Aber wenn alle Selbstverp­flichtunge­n und Willensbek­undungen nichts ändern, die es zuhauf gibt, hilft am Ende wohl wirklich nur die Quote. Hoffentlic­h ist sie nur ein Instrument für eine Übergangsz­eit, bis sich alle an den Normalzust­and gewöhnt haben: dass das Geschlecht kein Unterschei­dungsmerkm­al dafür ist, ob sich jemand für die Aufgabe als Führungskr­aft eignet.

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