Als Häuptlingssohn zur Feuerwehr
Niederösterreichische Feuerwehrfeste sind fast so beschwingt wie Feiern in Afrika. Das sagt Pfarrer Emeka Emeakaroha, Österreichs erster Farbiger in einer Feuerwehruniform.
Wer einen Menschen treffen möchte, der Stammeswie Vereinsleben kennt, sozial stark engagiert ist und weiß, was man mit Kochbananen macht, der muss im niederösterreichischen Ober-Grafendorf die Türklingel am Pfarrhof drücken. Mit einem breiten Lachen kommt Emeka Emeakaroha heraus. Der promovierte Theologe ist Pfarrer in der 5000-Seelen-Gemeinde südlich von St. Pölten. Die Nachbarpfarre Weinburg betreut er als Seelsorger mit. Dass der Priester Menschen mag, wird klar, wenn er von ihnen spricht.
Als der heutige Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) noch Integrationsstaatssekretär war, machte er den gebürtigen Nigerianer Emeakaroha zum Integrationsbotschafter in Österreich. In dieser Funktion ist Hochwürden auch heute noch viel unterwegs, in Schulen zum Beispiel. Außerdem begrüßt er Neuankömmlinge, die ihre ersten Tage im neuen Land verbringen. Für sie alle hat der Nigerianer immer ein und dieselbe Botschaft: „Lernt Deutsch und bringt euch ins Gemeindeleben ein.“Anders funktioniere es nicht, sagt der 47-Jährige und runzelt die Stirn. Auf dem Fernsehsender CNN sehe er junge Menschen aus Afrika, die in Booten über das Mittelmeer nach Europa kommen wollen. Werden sie von Behörden oder Journalisten befragt, können die meisten nur in ihrer Muttersprache antworten. Für Emeakaroha eine Unmöglichkeit. Zumindest ein paar Brocken Englisch sollte jeder sprechen können, meint er. Ganz abgesehen davon, dass die Sprache eines neuen Landes, in dem man leben möchte, vom ersten Tag an Pflicht sei. Emeka Emeakaroha spricht perfektes Deutsch. Nur durch seine Satzmelodie ist beim Sprechen klar, dass er Afrikaner ist.
Sich in einer neuen Umgebung zurechtzufinden bedeutet für ihn auch, sich den Gepflogenheiten der hiesigen Bevölkerung anzupassen. In Niederösterreich hat er dafür dank Brauchtum und Vereinswesen eine Menge Möglichkeiten. Seine Wahl ist 2002 auf die freiwillige Feuerwehr gefallen. Warum? „Weil ich anpacken wollte. Darum habe ich die Ausbildung zum Feuerwehrmann gemacht“, sagt Emeakaroha, der nun auf der Reservistenliste steht und zu Bränden sowie zu Unfällen ausrückt, wenn in der Stammmannschaft Not herrscht. „Ich war Österreichs erster schwarzer Feuerwehrmann“, erklärt er nicht ohne Stolz.
Und weil er sich mit der Kultur in der neuen Heimat auseinandersetzt, hat er sämtliche Erkenntnisse in seinem Buch „Erfahrungen eines Afrikaners in Österreich“zusammengefasst. Immerhin sei er 1995 als Missionar nach Europa gekommen. Die größten Unterschiede zwischen den Völkern verortet der 47-Jährige beim Lebensrhythmus. In Nigeria sei man spontan und unkompliziert, in Niederösterreich brauche es lange, bis Menschen ins Gespräch kommen. Wenn sie das überhaupt zulassen. „Wir in Nigeria reden sofort mit jedem. Da kann es auch vorkommen, dass man von der Kirche oder der Arbeit spät heimkommt, weil man sich mit jemandem noch gemütlich unterhalten hat. Das passiert mir in Österreich kaum“, erzählt Emeakaroha. Die Menschen seien ruhiger und reservierter, „auch wenn sie das nicht böse meinen“. In seinem Dorf Umunohu im Osten Nigerias werde auch mehr musiziert, Kinder würden in jeder Schulpause singen oder trommeln. Als Religionslehrer hat er das hier noch nicht erlebt. Und auch der Umgang mit Zeit ist ein grundlegend anderer: Während Afrikaner nicht ganz so viel Wert auf Pünktlichkeit legten, sei man damit in Europa recht streng, sagt der Priester mit einem verlegenen Lachen und deutet auf sein Handgelenk. Dort befindet sich eine schwarze Digitaluhr. „Ein Geschenk“, erklärt er und beteuert, dass es längst kein Problem mehr sei, zu Taufen oder Hochzeiten pünktlich zu kommen. Wer dann immer noch zweifelt, dass Emeakaroha bestens integriert ist, der möge einmal mit ihm Ski fahren gehen.
Trotz aller Erfahrungen, die der Priester in seiner Pfarre macht: Eines Tages will er zurück nach Nigeria gehen. Das Essen fehlt ihm zum Beispiel sehr. Auch wenn er regelmäßig nach Wien fährt, um am Naschmarkt Yamswurzeln und Kochbananen für Eintöpfe zu kaufen. Nach Afrika reist er zwei Mal im Jahr, stets in Begleitung einer Gruppe. Die bringt er zu seinen Projekten. Seinem unermüdlichen Einsatz und dem Spendensammeln ist zu verdanken, dass das Madonna Austrian Hospital Ihitte gebaut wurde. Es ist in dem Gebiet mit rund 70.000 Einwohnern die einzige medizinische Versorgungsstation. Ärzte aus Österreich fliegen dorthin, um freiwillig Patienten gegen grauen Star zu behandeln oder Brillen anzupassen. Weitere Spenden ermöglichen gerade den Bau einer Schule. Ihr Dachstuhl ist fertig.
So wie Emeka Emeakaroha „Chef“in seinen beiden Pfarren ist, steht sein Vater einem Dorf mit 5000 Bewohnern vor; er ist ihr Häuptling und verwaltet die Kultur. Ob Hochwürden eines Tages in dessen Fußstapfen treten möchte? „Ich habe einen älteren Bruder. Der ist der Prinz“, sagt er und schüttelt lachend, aber bestimmt den Kopf.