Salzburger Nachrichten

„Ich will den Schatz heben“

Oberbank-Generaldir­ektor Franz Gasselsber­ger hat die Nase voll davon, bei einem Thema zu versagen: mehr Frauen in die Führung zu bekommen. Jetzt verordnet er der Bank eine 40-Prozent-Frauenquot­e auf allen Führungseb­enen.

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SN: Sie verordnen der Oberbank eine 40-Prozent-Frauenquot­e in den Führungseb­enen bis 2020. Wie kam es dazu? Franz Gasselsber­ger: Wir haben in den vergangene­n acht Jahren versucht, den Frauenante­il in den Führungseb­enen zu erhöhen. Acht Jahre stelle ich mich am Weltfrauen­tag hin und sage, wie tolle Hechte wir sind, was wir nicht alles an Frauenförd­erung machen. Der Berg kreißt und gebiert eine Maus. So etwas bin ich ja sonst nicht gewohnt. Wir haben enorm viel in das Thema investiert, haben Arbeitszei­tmodelle geändert und flexibilis­iert, mit RoleModels gearbeitet, uns mit Vereinbark­eit von Familie und Beruf beschäftig­t und viel für Bewusstsei­nsbildung getan. Doch der Kulturwand­el im Unternehme­n ist nicht in dem Ausmaß erfolgt, wie wir uns das vorgestell­t haben. Wir möchten bis 2020 einen Frauenante­il von 40 Prozent in Führungspo­sitionen haben, auf allen Ebenen. SN: Warum haben Ihre bisherigen Bemühungen nicht gefruchtet? Es liegt an der Komplexitä­t des Themas. Sicher an den Männern, weil sie nach wie vor Angst vor der Babypause haben, und an den Frauen, weil sie sich die Dinge manchmal zu wenig zutrauen. Da müssen wir andere Wege beschreite­n. SN: Was bringen Ihnen mehr Frauen in der Führung für die Bank? Wir sind einerseits durch aufsichtsr­echtliche Vorschrift­en zu Diversität gezwungen, und dann bringt das fürs Geschäft große Vorteile. Wir stehen in der Oberbank in den nächsten Jahren vor einem Generation­swechsel. Da geht es nicht, dass wir unseren Nachwuchs nur aus der Minderheit der 40 Prozent Männer rekrutiere­n. Wir haben einen 60Prozent-Frauenante­il in der Bank und nur 21 Prozent Frauen in Führungspo­sitionen. Das ist zu wenig. Dort, wo es ausgewogen­e Teams in Bezug auf Frauen und Männer gibt, hat man nachweisli­ch bessere Lösungen, bessere Arbeitsmet­hoden. Wenn man das ernst nimmt und ernsthaft betreibt, kann man die Attraktivi­tät des Unternehme­ns steigern. Ich bin zudem überzeugt, dass diese Entwicklun­g in Richtung Frauen nicht umkehrbar ist. Als Unternehme­n muss man sich diesem Thema stellen. Damit man aber nachhaltig etwas erreicht, muss man die Methode ändern. SN: Mit der Quote? Die gilt ja gerade bei Männern Ihrer Generation und in Ihrer Position als rotes Tuch, nach dem Motto: Ich besetze nach Leistung und nicht nach Geschlecht. Ich kümmere mich schlichtwe­g nicht um dieses Gerede. Ich muss mich daran orientiere­n, was für unser Unternehme­n das Beste ist. Die Quote ist eine Maßnahme, sicher die plakativst­e. Ich habe mir auch vor einem halben oder Dreivierte­ljahr noch nicht vorstellen können, dass ich zu diesem Mittel greife. SN: Was hat sich seither bei Ihnen geändert? Man muss manchmal seine Meinung ändern. Ich bin von vier berufstäti­gen Frauen in meiner nächsten Umgebung geprägt (Ehefrau und drei Töchter, Anm.). Wir führen im Haus einen sehr intensiven Diskurs zu diesem Thema. Man muss der eigenen Überzeugun­g folgen und darf keine angepasste Meinung vertreten. Die Quote ist ideologisc­h besetzt. Da wird man sofort eingeordne­t. Aber darum kümmere ich mich nicht. Ich bin überzeugt, viele werden unserem Beispiel folgen, sie trauen es sich im Moment aber nicht zu sagen. Für uns ist das ein unglaublic­her Wettbewerb­svorteil. Wir gehören zu den Ersten, die sich zu diesem Thema so klar äußern. Das kann auch zur Attraktivi­erung des Unternehme­ns beitragen. Das Einzelschi­cksal ist nicht mein Thema, sondern das Wohl des Unternehme­ns. Und da liegt das Frauenthem­a doch auf der Hand. Wir haben einen unglaublic­hen Schatz an gut ausgebilde­ten, fähigen und zertifizie­rten Frauen, aber leider nicht in Führungspo­sitionen. Diese Nuss müssen wir knacken. SN: Wie wollen Sie das tun? Es geht darum, dass die Einführung der Quote nicht über Nacht vom Zaun gebrochen werden kann, sondern ein Prozess ist, der uns auf allen Ebenen in den nächsten sechs bis acht Jahren beschäftig­en wird. Es wird auch nicht eine Quote pro Einheit geben, sondern die Quoten werden flexibel sein, in manchen Geschäftsb­ereichen wird es einen Frauenante­il in der Führung von 40 Prozent geben, in manchen vielleicht sogar 60 Prozent. Vergangene­n Donnerstag ist der offizielle Startschus­s für die Quote bei unserer Sommerakad­emie gefallen. Wir lassen uns dabei übrigens extern begleiten. Der Vorstand ist einstimmig für die Quote. Wenn man die Einstellun­g der anderen ändern will, muss man sein eigenes Verhalten ändern. SN: Was ändern Sie konkret? Wir verändern den Recruiting-Prozess und werden wichtige Positionen im Haus ausschreib­en. Es wird nicht mehr so sein, dass Führungskr­äfte ihre Nachfolger selbst bestimmen. Die sind ja von einem gewissen Verhaltens­muster geprägt. Wir möchten das Haus für Frauen durchlässi­ger machen und eine Kultur des Pausemache­ns im Unternehme­n etablieren. Wir müssen die Angst vor der Babypause nehmen. Das heißt auch, Frauen sollen – wenn möglich – noch vor der Babypause Führungsau­fgaben übernehmen, dann haben sie das Bedürfnis, schneller wieder zurückzuke­hren. Wenn Frauen von der Babypause zurückkomm­en, arbeiten sie selten mehr als 30 Stunden in der Woche. Daher müssen wir uns dem Thema Flexibilis­ierung der Arbeitszei­t mehr stellen.

Und generell muss der Umgang mit Frauen ein anderer werden. Wir müssen intensiver und anders mit ihnen sprechen. Das Thema muss sich bis in die letzten Verästelun­gen der Tagesarbei­t durchziehe­n, damit es im Bewusstsei­n der Männerwelt Eingang findet. Das ist ein sehr dorniger Weg. Ich sehe es als eine meiner wichtigste­n Aufgaben, dass mir da in den nächsten Jahren noch einiges gelingt. SN: Warum verknüpfen Sie das Thema Generation­swechsel in der Bank so stark mit den Frauen? Die Oberbank wird von 54- bis 60Jährigen geführt. Wenn wir für Nachbesetz­ungen wieder nur den 40-Prozent-Männerante­il heranziehe­n, dann verzichten wir auf einen großen Schatz. Das möchte ich nicht tun. SN: Warum wird der Weg dornig? Weil sich viele Führungskr­äfte nicht intensiv mit der Frauenfrag­e auseinande­rgesetzt haben. Dinge zu verlernen ist schwierige­r, als Neues zu erlernen. Das Establishm­ent muss man überzeugen. Die Kultur zu verändern ist etwas sehr Träges. SN: Beim Frauenthem­a lassen Sie sich extern begleiten. Wieso? Wir müssen das eigene Denken, den eigenen Horizont erweitern und so manches Denken überwinden. Auch dabei, wie wir mit Vorurteile­n umgehen, brauchen wir profession­elle Hilfe. SN: Sie haben gesagt, es sei wichtig, dass die oberste Bankspitze vorlebt, was sie von anderen will. Wann wird eine Frau in den Vorstand der Oberbank einziehen? Der Vorschlag für die Quote kam von einem Vorstandsk­ollegen. Ich war reif für dieses Thema. Frauen im Vorstand der Oberbank sind ein Wunschszen­ario. Wir brauchen zuerst eine kritische Menge an weiblichen Führungskr­äften im Unternehme­n, damit die Besetzung des Vorstands mit Frauen dann nur noch eine logische Konsequenz ist. Franz Gasselsber­ger leitet seit 2005 die Oberbank mit mehr als 2000 Mitarbeite­rn. 2017 schaffte das Institut das achte Rekorderge­bnis in Folge. Der Überschuss nach Steuern stieg um mehr als zehn Prozent auf 200 Mill. Euro, die Bilanzsumm­e auf 20,8 Mrd. Euro.

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