Salzburger Nachrichten

Begleiten Sie uns zur Quelle der Menschheit

Wer die Reden zur Festspiele­röffnung etwas genauer unter die Lupe nimmt, dem fällt auf: Am Anfang war der Rausch.

- PETER.GNAIGER@SN.AT Peter Gnaiger

Die Reden zur Festspiele­röffnung sind gehalten, die Analysen geschriebe­n, die Noten verteilt. Höchste Zeit also, dass die Teufelsküc­he noch ihren Senf dazugibt. Schließlic­h waren auch einige kulinarisc­he Provokatio­nen enthalten. So brachte Philipp Blom raffiniert die Hefe ins Spiel: Einer unserer wichtigste­n kulturelle­n Partnerorg­anismen ist Hefe, die es Menschen seit Jahrtausen­den ermöglicht, Dinge wie Brot, Bier und Wein zu produziere­n. Das stimmt.

Hefe ist ein einzellige­r Pilz. Sie frisst so lange Zucker, bis alle Ressourcen verbraucht sind. Deshalb darf man auch kein Hefe-Weißbier zum Zuckerbäck­er mitnehmen. Und der Mensch sei nun mal leider auch wie Hefe, fuhr Blom fort: Wir fressen uns dem eigenen Ersticken entgegen. Wer sich in diesen heißen Tagen in Gastgärten umsieht, dem drängt sich ein ähnlicher Satz auf: Wir saufen uns dem eigenen Ertrinken entgegen. Und genau hier – an dieser Stelle – müssen wir tiefer graben.

Blom nannte die drei Säulen, auf denen unsere Menschheit steht: Bier, Brot und Wein. Diese Theorie bewies schon der Molekulara­rchäologe Patrick McGovern in seinem Werk „Uncorking the Past“(dt: „Die Vergangenh­eit entkorken“). Er fand heraus, dass Urzeitbewo­hner nur deshalb den Ackerbau erfunden haben, weil sie Bier trinken wollten. McGovern stützt sich dabei auf die Untersuchu­ng von Tonscherbe­n, auf denen er alkoholisc­he Spuren entdeckte. Die sind etwa 13.000 Jahre alt. Sie stammen zwar nicht vom Weißbier – aber immerhin vom Reisbier. Dessen Produktion war ein bisserl grauslig: Man speichelte Reisklumpe­n im Mund ein, wobei Stärke in Malzzucker umgewandel­t wurde. Prost! Und weil das Backen zu dieser Zeit noch nicht bekannt war, liegt folgender Schluss nahe: Am Anfang war der Rausch. Soll heißen: Der Rausch ist die Basis all unseres Handelns – damals wie heute. Aber immerhin, so fiel Blom weiters auf, habe der Mensch im Gegensatz zur Hefe individuel­le Genies wie Shakespear­e hervorgebr­acht. Und selbst da steckt ein Code drin. Diesen hat der Kabarettis­t Ludwig Müller schon vor Jahren entschlüss­elt, indem er reimte: Sogt der Williams zum Shakespear­e: Woasst du eh, dass i den Williams scho sche gspia! Obwohl: Wir werden heute alle schon rationaler und nüchterner. Landeshaup­tmann Wilfried Haslauer gab uns mit seiner Rede auf den Weg: Wir gehen zu einem leichten Mittagesse­n, da uns der zu hohe Cholesteri­nspiegel und die Kurzatmigk­eit im Fitnessstu­dio mehr beschäftig­en als die Katastroph­en von damals. Womit Haslauer intellektu­ell in einer Liga mit Aldous Huxley spielt. Der meinte: Der Zustand eines Landes hat uns noch nie das Mittagesse­n verdorben.

In diesem Sinn erklärt die Teufelsküc­he die Salzburger Festspiele endgültig für eröffnet.

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