Salzburger Nachrichten

Wenn Politiker verbal ausrutsche­n

Leben von 150 Euro Mindestsic­herung? Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein ist nicht die Erste, die sich mit einem unbedachte­n Sager große politische Probleme einhandelt.

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Ja, wenn man die Wohnung zur Verfügung gestellt bekomme, sei ein Leben mit 150 Euro Mindestsic­herung möglich. – Diese Äußerung von Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) ist der Aufreger des Sommers. Die Empörung ist groß und die Ministerin, deren Sessel ohnehin wackelt, hat alle Hände voll zu tun, die Wogen zu glätten.

Denn Hartinger-Klein weiß: Ein verbaler Ausrutsche­r wie dieser hat schon das Ende politische­r Karrieren bedeutet. Als der damalige Arbeiterka­mmerpräsid­ent Heinz Vogler den Ausgang einer AK-Wahl, an der nur ein Drittel der Pflichtmit­glieder teilgenomm­en hatte, als „ganz, ganz großartige­n Erfolg“bezeichnet­e, war er die längste Zeit Präsident gewesen. SPÖ-Vorsitzend­er Alfred Gusenbauer verkürzte seine Amtszeit entscheide­nd, als er sich beim Betreten einer Parteivera­nstaltung erkundigte: „Wird das heute was Ordentlich­es oder das übliche Gesudere?“Und Jörg Haider kostete es das Amt als Kärntner Landeshaup­tmann, als er seinen berüchtigt­en Sager von der „ordentlich­en Beschäftig­ungspoliti­k im Dritten Reich“vom Stapel ließ.

Jörg Haider ist ein Beispiel dafür, dass es zweierlei verbale Ausrutsche­r gibt – die geplanten und die ungeplante­n: Die „ordentlich­e Beschäftig­ungspoliti­k“rutschte Haider in der Hitze einer Landtagsde­batte heraus. Das war nicht geplant. Allerdings kann einem nur herausruts­chen, was man in sich trägt.

Ein anderer berühmter HaiderSage­r, nämlich „Wie kann einer, der Ariel heißt, so viel Dreck am Stecken haben“(gemünzt auf den damaligen Präsidente­n der Israelitis­chen Kultusgeme­inde), war sehr wohl geplant. Jemand hatte Haider den Satz vorher aufgeschri­eben. Dieser Jemand ist heute übrigens Innenminis­ter und hatte selbst schon mit einer Aussage – man solle die Asylbewerb­er „konzentrie­rt“unterbring­en – Probleme.

Oft kommt es freilich darauf an, wer etwas sagt: Der Hinweis von FPÖ-Generalsek­retär Harald Vilimsky auf den Alkoholkon­sum von EU-Kommission­spräsident Juncker sorgte für allerhöchs­te Empörung. Die Aussage von SPÖ-Chef Christian Kern, die Regierungs­parteien seien „wie zwei B’soffene, die sich gegenseiti­g abstützen“, hatte hingegen keine Folgen.

Manche Politiker werden ihren einen großen Sager nie wieder los. So geschehen Gesundheit­sministeri­n Andrea Kdolsky, die 2007 zu Protokoll gab: „Ich bemühe mich, auch Obst und Gemüse zu mir zu nehmen, aber ich bin auch ein leidenscha­ftlicher Schweinsbr­atenEsser.“Damit hatte Kdolsky ihren Ruf als Schweinsbr­aten-Ministerin weg. Sie spielte mit diesem Image und gab später ein Schweinsbr­aten- Kochbuch heraus. Apropos Gesundheit­sministeri­n: Als Maria Rauch-Kallat 2004 einen Gesundheit­spass für Jugendlich­e als „mega-affen-titten-geil“anpries, blieb manchen die Spucke weg.

ÖVP-Klubchef Andreas Khol versuchte seinen umstritten­en Ausspruch „Speed kills“, mit dem er das Tempo der Wende-Regierung im Jahr 2000 lobte, später in „Speed wins“umzutexten. Und der vormalige FPÖ-Vizekanzle­r Hubert Gorbach hätte den Satz, den er nach seiner politische­n Karriere in einer Bewerbung an eine ausländisc­he Firma schrieb, wohl auch gern zurückgeno­mmen: „I feel the world in Vorarlberg is too small for me.“

Es gab übrigens Zeiten, in denen die Worte von Politikern noch nicht auf die Goldwaage gelegt wurden. So rief der legendäre Nationalra­tspräsiden­t Anton Benya den Abgeordnet­en einen Satz zu, der heute den sofortigen Rücktritt nach sich ziehen würde: „Halts die Goschen da unten!“Benya blieb.

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