Salzburger Nachrichten

Eine Ehrenrettu­ng der pensionsre­ifen Babyboomer

Warnungen vor Problemen des Pensionssy­stems klingen manchmal so, als wären die Nachkriegs­kinder an allem schuld.

- ZORN & ZWEIFEL Viktor Hermann

Seit Jahren schon zeigen kluge Leute auf, dass das auf einer Umlage basierende Pensionssy­stem in Österreich nicht mehr allzu lange klaglos funktionie­ren wird. Immer weniger Menschen in Arbeit und Brot (vulgo: Beitragsza­hler) müssen immer mehr Pensionist­en erhalten. All diesen Warnungen ist die Prognose beigeschlo­ssen, dass es so richtig schwierig werden werde, sobald die Babyboomer, also die zwischen Mitte der 1950er- und Mitte der 1960erJahr­e Geborenen, in die Pensionsbe­rechtigung eintreten.

Das klingt häufig, vielleicht unbeabsich­tigt, so, als hätten sich die Babyboomer zusammenge­rottet, um ganz bewusst aus Bosheit und Egoismus das Pensionssy­stem für die nachfolgen­den Generation­en zu ruinieren. Doch sie können nichts dafür, dass die Generation ihrer Eltern beschlosse­n hat, nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sei es an der Zeit, möglichst viele Kinder in die Welt zu setzen. Und jetzt kommen sie halt ins Pensionsal­ter und werden – selbst wenn sie noch Energie hätten – aufs Altenteil abgeschobe­n.

Die künftige Schwäche des Pensionssy­stems rührt nicht so sehr von „den Alten“, sondern einer Politik, die sich weigert, das Pensionsal­ter parallel zur Lebenserwa­rtung nach oben zu verschiebe­n. Die Klagen der heute Jungen sind auch nur schwer verständli­ch, bedenkt man die heute weitverbre­itete Einstellun­g zu Arbeit und Leben.

Die Babyboomer haben Arbeit als Teil des Lebens betrachtet. Sie strebten nach Karriere, gründeten Firmen, ließen oft Privates liegen, um im Job Erfolg zu haben. Sie haben versucht, genug zu verdienen, um etwas zur Seite zu legen im Bewusstsei­n, dass die magere ASVGPensio­n ein bisschen Aufbesseru­ng gut vertragen könnte. Und sie finanziert­en und finanziere­n oftmals überlange Universitä­tskarriere­n ihrer Kinder und Enkelkinde­r.

Die Generation der Millennial­s (geboren zwischen 1980 und 2000) beklagt heute gern, dass sie wohl nie in den Genuss von Pensionen kommen werde, wie sie heute noch üblich sind. Freilich trennen sie ganz klar zwischen Arbeit (notwendige­s Übel) und Leben (alles andere), betrachten berufliche Karriere eher als vernachläs­sigbar und verdienen deshalb oft nicht genug, um fürs Alter zu sparen.

Die Meinung, „die Alten“beeinfluss­ten die Politik zuungunste­n „der Jungen“, ist nicht viel mehr als ein Konstrukt, das die Wirklichke­it verschleie­rt. Niemand hindert die Generation am Anfang ihres Arbeitsleb­ens daran, sich politisch zu engagieren, selbst anzupacken und zum Beispiel dem wackeligen Pensionssy­stem durch eigene Ideen Stabilität zu verleihen.

Das wäre weit besser, als einen Konflikt zwischen den Generation­en zu erfinden. VIKTOR.HERMANN@SN.AT

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