Salzburger Nachrichten

Kim lässt nicht von den Raketen

Donald Trump erklärte die nukleare Gefahr für gebannt. Doch die US-Geheimdien­ste hegen einen schwerwieg­enden Verdacht.

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Eineinhalb Monate nach dem historisch­en Handschlag mit Nordkoreas Führer Kim Jong Un in Singapur sieht sich US-Präsident Donald Trump mit der Realität konfrontie­rt, vor der ihn Nordkorea-Kenner gewarnt haben. Der Gipfel war als große Show mit wenig Substanz bezeichnet worden, doch Trump war von seiner persönlich­en Ausstrahlu­ngskraft auf Kim dermaßen überzeugt, dass er alle Bedenken in den Wind schlug und der Illusion erlag, Nordkorea von einseitige­r Abrüstung überzeugen zu können.

Doch Nordkorea scheint nicht daran zu denken. Die „Washington Post“berichtete unter Berufung auf Regierungs­beamte, Geheimdien­ste in den USA hätten Hinweise darauf, dass Nordkorea in einer Forschungs­einrichtun­g nahe Pjöngjang möglicherw­eise eine oder zwei neue Interkonti­nentalrake­ten baue, die potenziell US-Festland erreichen könnten.

Als Beleg hätten die Informante­n Satelliten­fotos von Aktivitäte­n in der Anlage von Sanumdong vorgelegt, in der das Land seine „ersten ballistisc­hen Interkonti­nentalrake­ten“gebaut habe, schrieb die „Washington Post“. „Wir sehen, dass sie weiter daran arbeiten, genau wie zuvor“, wurde ein Beamter zitiert. Die Aktivitäte­n seien keine Überraschu­ng. Kim habe keine öffentlich­en Versprechu­ngen gemacht, alle Arbeiten in den zahlreiche­n Nuklear- und Raketenein­richtungen einzustell­en.

Nordkorea hatte schon vor dem Gipfel mit Trump deutlich gemacht, dass ein nukleares Abrüstungs­abkommen auf „synchroner Gegenseiti­gkeit“zu beruhen habe.

Pjöngjang denkt nicht im Traum daran, sein ehrgeizige­s Atomprogra­mm den Amerikaner­n auf dem Silbertabl­ett zu servieren, ohne dass diese substanzie­lle Zugeständn­isse machen.

Nordkorea rudert auch bezüglich Wiedervere­inigung mit dem Süden und der geplanten Treffen von vom Koreakrieg zerrissene­n Familien zurück. Die nordkorean­ische Staatszeit­ung „Rodong Sinmun“, ein Sprachrohr des Regimes, kritisiert­e vor mehr als einer Woche südkoreani­sche Forderunge­n, wonach Pjöngjang die Denukleari­sierung schneller voranzutre­iben habe. Seoul, so die Zeitung, soll zu den Atomverhan­dlungen zwischen Pjöngjang und Washington gefälligst schweigen. Die Ermahnung an den Süden erfolgte als Reaktion auf Kommentare von Südkoreas Präsidente­n Moon Jae In.

Die beiden Koreas hatten sich zuvor darauf geeinigt, auch wieder Familientr­effen abzuhalten, die zuletzt im Jahr 2015 stattfande­n. Es war dies eines der wenigen konkreten Ergebnisse des Gipfels in Singapur. Mit den Familientr­effen versucht Moon wenigstens einen Erfolg zu verbuchen.

Doch aus heiterem Himmel forderte Nordkorea jetzt, erst habe Südkorea zwölf im Jahr 2016 angeblich gekidnappt­e nordkorean­ische Kellnerinn­en zurückzubr­ingen. Die Frauen, entgegnet Seoul, seien in den Süden geflohen, hätten mittlerwei­le die südkoreani­sche Staatsbürg­erschaft angenommen und ein neues Leben begonnen.

Wenigstens soll Nordkorea neuen Satelliten­aufnahmen zufolge mit dem Abbau seiner wichtigste­n Sohae-Raketensta­rtrampe begonnen haben, von wo es seit dem Jahr 2012 auch Satelliten in den Weltraum schoss. Dabei soll auch das angebaute Testgeländ­e für Raketentri­ebwerke dem Erdboden gleichgema­cht werden. Das berichtete die auf Nordkorea spezialisi­erte Website 38north.org.

Donald Trump indes scheint noch immer nicht zu verstehen, dass Nordkorea nicht nur geben, sondern auch erhalten will. Ohne konkrete Zusagen Amerikas wird Pjöngjang den Dialog nicht beschleuni­gen. Kim Jong Un hat derzeit wenig Grund, seine Atomwaffen einzumotte­n.

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BILD: SN/AP US-Präsident Donald Trump sah sich als Sieger.

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