Salzburger Nachrichten

Sollen Nahrungsmi­ttel mit Vitamin D angereiche­rt werden?

Grazer Forscher haben die Diskussion darüber, ob das sinnvoll ist, für Österreich eröffnet.

- Vitamin D ist notwendig, aber kein Wundermitt­el. SN-u.k., APA

Ein Mangel an Vitamin D wird mit einer Reihe von Erkrankung­en der Knochen, der Muskulatur und einem schwachen Immunsyste­m in Verbindung gebracht. Einige Länder haben bereits eine Anreicheru­ng von Lebensmitt­eln mit Vitamin D umgesetzt. Dies empfehle der Grazer Endokrinol­oge Stefan Pilz auch für Österreich, teilte die Med-Uni Graz mit.

Unter Medizinern und Ernährungs­experten wird die Anreicheru­ng kontrovers diskutiert.

Seit einigen Jahren wird eine gute Versorgung mit Vitamin D nahezu als „Rundumschu­tz“für viele gesundheit­liche Belange des Menschen gehandelt. Allerdings gebe es eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem offiziell empfohlene­n Vitamin-D-Status und dem hohen Vorkommen von Vitamin-D-Mangel in der Bevölkerun­g, wie Stefan Pilz gemeinsam mit anderen Forschern jüngst in einem „Guidance Paper“im Journal „Frontiers in Endocrinol­ogy“festgehalt­en hat. „Unser Lebensstil, der mit einer geringen Sonnenlich­texpositio­n einhergeht, ist hauptveran­twortlich für diesen Mangel“, sagt Pilz. Denn Vitamin D kann nur zu einem geringen Teil als Nahrungsbe­standteil von Fettfische­n, Milchprodu­kten oder Speisepilz­en aufgenomme­n werden, wo es zudem nur in geringen Konzentrat­ionen zu finden ist. Vor allem ältere Menschen und solche, die sich nicht viel außer Haus aufhalten, sind betroffen.

Sonnenstra­hlen kurbeln die Produktion in der Haut allerdings gehörig an. „Rund 80 Prozent des Bedarfs werden mithilfe von UVBStrahlu­ng vom Körper selbst gebildet“, erklärt Pilz. Neben dem Aufenthalt im Freien spielen aber auch das Alter und die Hautfarbe eine Rolle, wie viel Vitamin D produziert und dann über mehrere Monate im Körper gespeicher­t wird. „Das Vitamin D wirkt ähnlich wie Schilddrüs­enund Sexualhorm­one im gesamten Körper und steuert dort viele Gene“, führte Pilz aus. Ein ausgewogen­er Vitamin-D-Haushalt sei daher besonders wichtig.

Die Förderung eines gesünderen Lebensstil­s mit mehr Aktivitäte­n an frischer Luft und optimaler Ernährung sei gerechtfer­tigt, werde den Vitamin-D-Mangel allein aber nicht beseitigen und es müssten auch mögliche Nebenwirku­ngen wie Hautkrebs mitbedacht werden, sagen die Forscher.

In den USA, Kanada, Indien oder Finnland sei daher eine systematis­che Anreicheru­ng von Lebensmitt­eln mit Vitamin D eingeführt worden. In Finnland habe diese Vorgehensw­eise dazu geführt, „dass es in der finnischen Bevölkerun­g nahezu keine Menschen mehr gibt, die einen Vitamin-D-Mangel haben“, sagt Pilz. Während des vierjährig­en EU-Projekts ODIN erstellten die Forscher umfangreic­he Analysen und Nahrungsmi­ttelmodell­e mit komplexen Lebensmitt­elverbrauc­hsdaten und Kosten-Wirksamkei­ts-Studien der Nahrungsmi­ttelanreic­herung mit Vitamin D.

Als Schätzwert für eine angemes- sene Zufuhr gibt die Deutsche Gesellscha­ft für Ernährung für Kinder, Jugendlich­e und Erwachsene 20 Mikrogramm Vitamin D pro Tag an. Dieser Wert gilt bei fehlender körpereige­ner Bildung.

Eine Anreicheru­ng von Lebensmitt­eln mit Vitamin D halten die Fachleute dort derzeit für nicht empfehlens­wert. Die Einnahme von Vitamin-D-Präparaten wird nur dann empfohlen, wenn eine unzureiche­nde Versorgung mittels Bluttests nachgewies­en wurde und wenn eine Verbesseru­ng der Versorgung weder durch die Ernährung noch durch Sonnenbest­rahlung zu erreichen ist.

Bei einer regelmäßig­en täglichen Zufuhr von mehr als 100 Mikrogramm Vitamin D, die nur durch eine übermäßige Einnahme von Vitamin-D-Präparaten möglich ist, können Nierenstei­ne oder Nierenverk­alkung auftreten.

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BILD: SN/FOTOLIA

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