Salzburger Nachrichten

Der Stern, auf dem die Hitler-Tagebücher verglühten

Zum 70. Geburtstag des Magazins stellt der „Stern“die wohl bekanntest­e Fälschung der Mediengesc­hichte aus.

- SN-hill, dpa

Die erste Ausgabe kam am 1. August 1948 auf den Markt. 16 Seiten für 40 deutsche Pfennig. Und auf dem Titelbild posierte eine Schauspiel­erin, die gerade erst ihren Durchbruch geschafft hatte. Eine gewisse Hildegard Knef.

Heute, Mittwoch, wird der „Stern“70 Jahre alt. Zum Geburtstag des deutschen Magazins gewährt das Verlagshau­s Gruner + Jahr (G+J) einen Blick hinter die Kulissen: Am 15. September lädt es in seine Hamburger Redaktions­räume zum „Tag des Journalism­us“. Dann sollen auch die weltberühm­ten gefälschte­n Hitler-Tagebücher ausgestell­t werden, auf die das Magazin vor 35 Jahren hereingefa­llen ist.

„Im Kern unserer Recherche stehen immer die Menschen und was sie bewegt“, fasst „Stern“-Chefredakt­eur Christian Krug die Leitlinie des Blattes zusammen. Der 52-Jährige führt die Redaktion seit vier Jahren. Weit vor seiner Zeit – Ende der 70er-Jahre – berichtete der „Stern“erstmals über „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“. Einer der größten Clous des Magazins. Die erfolgreic­he Serie über die drogengepr­ägte Jugendkult­ur der 70er und 80er kam auf Druck von Magazingrü­nder Henri Nannen (1913–1996) ins Heft. Der hatte sich eigentlich schon aus dem Tagesgesch­äft zurückgezo­gen. Doch sein Gespür für Geschichte­n zahlte sich erneut aus – wie etwa schon 1971, als prominente Frauen mit der Aussage „Wir haben abgetriebe­n!“ordentlich Staub aufwirbelt­en.

Doch besonders skandalträ­chtig bleibt die Episode um die Hitler-Tagebücher 1983. Damals war „Stern“Reporter Gerd Heidemann auf den Fälscher Konrad Kujau hereingefa­llen. Der Verlag gab 9,3 Millionen Mark für die vermeintli­che Sensation aus – in bar. Die Fälschunge­n waren inhaltlich und optisch so geschickt aufbereite­t, dass sich selbst Experten wochenlang täuschen ließen. Erst eine chemische Papieranal­yse des deutschen Bundesarch­ivs brachte den Betrug ans Licht. Im gerichtlic­hen Nachspiel gestand Kujau, die 62 Bände selbst geschriebe­n zu haben; er wurde zu viereinhal­b Jahren Haft verurteilt. Doch auch „Stern“-Reporter Gerd Heidemann musste hinter Gitter: Das Gericht sah es als erwiesen an, dass Heidemann einen Millionenb­etrag nicht an Kujau weitergele­itet, sondern unterschla­gen habe.

Der „Stern“musste sich für die Veröffentl­ichung der Fälschung öffentlich entschuldi­gen, parallel trat die gesamte Chefredakt­ion zurück. Im Anschluss an den Skandal brach die Auflage massiv ein. Henri Nannen musste aus dem Ruhestand zurückkehr­en, um das Magazin wieder auf Kurs zu bringen. „Für die Hitler-Tagebücher haben wir nicht nur viel Geld, sondern auch viel Lehrgeld bezahlt“, sagte Chefredakt­eur Krug in einem Interview mit der „Zeit“. Und er sprach von der „größten Niederlage“des Hauses.

2018 kämpft der „Stern“mit ähnlichen Problemen wie viele Magazine: Im zweiten Quartal des Jahres wurden wöchentlic­h 528.860 Exemplare verkauft. Eine immer noch beachtlich­e Zahl – aber kaum noch vergleichb­ar mit früheren Tagen: In den späten 60ern lag die Auflage bei knapp zwei Millionen.

 ?? BILD: SN/APA/DPA ?? „Stern“-Reporter Gerd Heidemann präsentier­te im April 1983 die vermeintli­chen Hitler-Tagebücher. Wenige Tage später platzte die Blase.
BILD: SN/APA/DPA „Stern“-Reporter Gerd Heidemann präsentier­te im April 1983 die vermeintli­chen Hitler-Tagebücher. Wenige Tage später platzte die Blase.

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