Salzburger Nachrichten

Tempobolze­n im Testbetrie­b

Auf insgesamt 120 Autobahnki­lometern darf nun ein Jahr lang zehn Stundenkil­ometer schneller gefahren werden. Das dürfte zwei Dinge garantiere­n: mehr Abgase und mehr Lärm.

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WIEN. Wenn heute, Mittwoch, auf der Westautoba­hn (A1) in zwei Abschnitte­n der Testbetrie­b für Tempo 140 startet, markiert dies eine historisch­e Trendwende in der österreich­ischen Verkehrspo­litik. Denn nach vielen Jahren, in denen die Höchstgesc­hwindigkei­ten auf heimischen Straßen durchwegs gesenkt worden sind, erfolgt nun eine Anhebung des Tempolimit­s. Umstritten war das Projekt schon vor seinem Start. Nebst Kritik sämtlicher Opposition­sparteien und einiger Verkehrsex­perten werfen auch Berechnung­en im Vorfeld des Testbetrie­bs Fragen auf.

Doch zunächst zu den Daten und Fakten: In Niederöste­rreich ist für den Testbetrie­b der 44,6 Kilometer lange Abschnitt Oed bis Melk (Gegenricht­ung: 44,0 km) ausgewählt worden, in Oberösterr­eich die 16,45 Kilometer lange Strecke von Linz bis nach Sattledt (Gegenricht­ung: 14,35 km). Das Pilotproje­kt ist für ein Jahr anberaumt. Die Asfinag misst Luftgüte, Lärm, Durchschni­ttsgeschwi­ndigkeiten und ermittelt Unfallzahl­en.

Keinerlei Zweifel an einem erfolgreic­hen Verlauf hegt Verkehrsmi­nister Norbert Hofer (FPÖ). Schließlic­h handle es sich bei den beiden Abschnitte­n um ideale Teststreck­en, weil diese nur geringe Kurvenradi­en, wenig Gefälle und wenig Autobahnau­ffahrten aufweisen. Die Anhebung des Tempolimit­s um zehn Stundenkil­ometer begründete Hofer unter anderem damit, dass die sonst üblichen 130 km/h Tempomaxim­um aus dem Jahr 1974 und somit „aus einer völlig anderen Zeit“stammen.

Günther Lichtblau, Leiter der Abteilung Mobilität und Lärm im Umweltbund­esamt (UBA), sieht das etwas anders: „Was klar sein muss: Es kommt eine Zusatzbela­stung auf uns zu.“Jede Tempoerhöh­ung sei mit mehr Schadstoff­emissionen verbunden. In Hysterie verfällt Lichtblau dennoch nicht. „Beim Feinstaub wird aufgrund der Partikelfi­ltertechno­logie der Unterschie­d relativ gering sein. Was dazukommen kann, ist mehr Abrieb von den Reifen und Bremsen.“Problemati­sch jedoch: Die Erhöhung des Tempolimit­s von 130 auf 140 km/h bewirke einen Anstieg bei Stickoxide­n um 16 bis 17 Prozent.

Das UBA bringt noch einen Vergleich: Bei den Treibhausg­asemission­en ist die Änderung von 100 auf 130 km/h etwa gleich hoch wie von 130 auf 140 km/h. Dies liege daran, dass der Luftwiders­tand überpropor­tional und damit auch die Motorlast massiv zunehme.

In puncto Zeiterspar­nis wirken sich die erlaubten zusätzlich­en zehn Stundenkil­ometer nur geringfügi­g aus: 28,4 bis 88 Sekunden schneller lassen sich die vier Teststreck­en bewältigen. Auf den beiden Abschnitte­n in Oberösterr­eich könnte es dennoch deutlich schneller gehen. Denn bei Tempomessu­ngen werden sogenannte Eichtolera­nzen berücksich­tigt – und das wird von Bundesland zu Bundesland unterschie­dlich gehandhabt. Für Oberösterr­eich bedeutet dies, dass die Toleranzgr­enze bei den Radargerät­en erst bei 159 km/h erreicht ist. Und da kommt dann ein weiterer Faktor ins Spiel: der Lärm. Bereits im Jahr 2006 warnte das Umweltbund­esamt davor, dass eine Tempoerhöh­ung auf 160 km/h zu einer Lärmzunahm­e führe, die in etwa einer Verdoppelu­ng des Verkehrsau­fkommens gleichzuse­tzen sei. Das ruft Erinnerung­en wach: Vor zwölf Jahren ließ Verkehrsmi­nister Hubert Gorbach (BZÖ) Tempo 160 testen. Damals auf einer zwölf Kilometer langen Strecke auf der Tauernauto­bahn (A10) in Kärnten. In zwei Testphasen versuchte man sich an der Tempoerhöh­ung und investiert­e mehr als fünf Millionen Euro in technische Anlagen, die das Projekt begleitete­n. Nach der ersten Phase zeigte sich Verkehrsmi­nister Gorbach begeistert von den Resultaten. 2007 stellte Nachfolger Werner Faymann (SPÖ) das Projekt ein.

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