Salzburger Nachrichten

Immer mehr Patienten gehen zum Privatarzt

Refundieru­ngen durch die Krankenkas­sen steigen – Neos sehen Beleg für Zweiklasse­nmedizin.

- SN-pur, APA

Österreich­s Patienten lassen immer mehr Geld beim Privatarzt, wo sie die Behandlung selbst bezahlen müssen und nur einen Teil der Kosten von ihrer Krankenkas­se zurückbeko­mmen. Ablesen kann man das an den Ausgaben der Kassen für Wahlarztle­istungen, die stark steigen. Seit 2010 erhöhten sich diese Refundieru­ngen um fast 50 Prozent auf mehr als 200 Millionen Euro.

Die Neos, die das durch eine parlamenta­rische Anfrage herausgefu­nden haben, sehen darin ein Indiz für Zweiklasse­nmedizin. „Diese Daten belegen nochmals, dass es ein Mehrklasse­nsystem im Gesundheit­sbereich in Österreich gibt“, sagt Sozialspre­cher Gerald Loacker. Seiner Ansicht nach steigen die Zahlungen für Privatärzt­e deshalb so stark an, weil es zu wenige Ärzte mit Kassenvert­rägen gibt. Die Patienten müssten daher zu Wahlärzten ausweichen. Viele könnten sich das aber kaum leisten.

Am stärksten sind die Ausgaben der Krankenkas­sen für Wahlarztle­istungen in Wien gestiegen. Die Wiener Gebietskra­nkenkasse verzeichne­te seit 2010 eine Ausgabenst­eigerung um fast 90 Prozent. Bei der Salzburger Gebietskra­nkenkasse liegt die Steigerung bei 60 Prozent. In absoluten Zahlen gab 2017 die Versicheru­ngsanstalt der öffentlich Bedienstet­en am meisten für die Wahlarztle­istungen aus, nämlich 36,6 Millionen Euro. Dann folgen die Sozialvers­icherungsa­nstalt der gewerblich­en Wirtschaft (SVA) mit 29,7 Millionen und die Wiener GKK mit 25,7 Millionen Euro.

Neos-Abgeordnet­er Loacker weist in seiner Anfrage darauf hin, dass diese nicht kostendeck­enden Zuschüsse der Krankenkas­sen für den Patienten eigentlich einen Selbstbeha­lt bedeuten, ebenso die Rezeptgebü­hren. In Wahrheit, so Loacker, könne keine einzige Krankenkas­se auf Selbstbeha­lte zur Finanzieru­ng der laufenden Ausgaben verzichten. Dennoch werde über Selbstbeha­lte eine „Scheindisk­ussion mit künstliche­r Aufregung geführt“, stellt Loacker fest.

Andere Länder seien da viel weiter. In der Schweiz, den Niederland­en und Deutschlan­d könne der einzelne Versichert­e frei wählen, ob er sich nach Selbstbeha­lts-Modellen oder Vollversic­herungs-Modellen versichern wolle. Zu einer solchen Innovation­skraft sei die heimische Sozialvers­icherung aber nicht in der Lage, kritisiert Loacker. „Das Wort ,Wahlfreihe­it‘ ist in unserem zwangskamm­erndurchse­tzten System mittlerwei­le ein Schimpfwor­t geworden.“

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