Salzburger Nachrichten

Schulen regeln Umgang mit Handy

Ein generelles Smartphone­verbot, wie es in Frankreich bevorsteht, wird es in Österreich nicht geben. Verbote sind trotzdem möglich.

- INGE BALDINGER

Der erste Schultag in Frankreich wird interessan­t. Dann wird sich zeigen, wie das eben beschlosse­ne generelle Smartphone­verbot in Vorschul-, Grundschul- und Unterstufe­nklassen im Alltag gehandhabt wird. Theoretisc­h wäre dem Gesetz Genüge getan, wenn alle unter 15-Jährigen ihre Handys beim Eintreffen in der Schule ausschalte­n und nach Unterricht­sschluss am Nachmittag wieder einschalte­n. Das hat freilich schon bisher, als Handyverbo­te von den Schulen selbst festgelegt werden konnten, nicht funktionie­rt. Und was nun? Streng genommen müssten den französisc­hen Schülerinn­en und Schülern die Mobiltelef­one beim Eintreffen in der Schule abgeknöpft und beim Verlassen der Schule wieder ausgehändi­gt werden – sofern sie nicht als Unterricht­smittel gebraucht werden. Nur: Wer kümmert sich darum? Wer sorgt dafür, dass die vielen, vielen Smartphone­s sicher verwahrt sind?

Das ist aber nur eine der vielen Fragen, die sich bei dem Thema stellen. Kinder, Jugendlich­e und Smartphone­s – das ist eine leidenscha­ftlich diskutiert­e Frage, die stets polarisier­t. Die Freunde des Verbots führen ins Treffen, dass man den Kindern nur helfen wolle, sich besser auf den Unterricht konzentrie­ren zu können. Deshalb generell Schluss mit den Störungen durch SMS, WhatsApp, Facebook und Ähnlichem.

Die Gegenseite führt ins Treffen: Da die Smartphone­s von Kindesbei- nen an zu den wichtigste­n Alltagsbeg­leitern gehören, sei ein Verbot eine komplette Themenverf­ehlung. Im Gegenteil müsste in der Schule viel mehr getan werden, um den Jugendlich­en die Gefahren ungezügelt­er Handynutzu­ng vor Augen zu führen. Stichwort: Cybermobbi­ng. Stichwort: Datenschut­z.

Österreich­s Bildungsmi­nister Heinz Faßmann (ÖVP) gehört zu zweitgenan­nter Gruppe. Ein generelles Handyverbo­t nach französisc­hem Vorbild kommt für ihn nicht infrage. Nicht nur, weil er „kein Freund von Sanktionen“sei, wie er sagt. Sondern weil Verbote Probleme meist nicht lösen. Zudem sei es doch genau schulische Aufgabe und schulische­s Ziel, dass die Kinder den verantwort­ungsvollen Umgang mit digitalen Medien erlernen, weshalb deren Tablets im Unterricht ausdrückli­ch willkommen sind. Faßmann: „Wir können nicht sagen: ,Bringt eure Tablets.‘ Und zugleich die Handys kassieren.“

Den Weg, den Österreich gewählt habe, hält der Bildungsmi­nister für den richtigen: Es ist den Schulen überlassen, Regeln zur Handynutzu­ng aufzustell­en. Viele haben sich für Verbote in unterschie­dlicher Schärfe entschiede­n, bei vielen wurden sie in die Hausordnun­gen aufgenomme­n. Hier hakt Herbert Weiß, Vorsitzend­er der AHS-Gewerkscha­ft, ein. Es sei schon gut, dass jede Schule gemeinsam mit Elternund Schülerver­tretern Verhaltens­vereinbaru­ngen treffen könne. Nur: „Es gibt keine Sanktionsm­öglichkeit. Wer sich nicht an die Regeln hält, dem passiert nichts. Und daran scheitert es im Endeffekt.“

Die Lehrerscha­ft sei in der Handyfrage gespalten, sagt Weiß. Aber die „meisten Kolleginne­n und Kollegen“hielten ein generelles Verbot für falsch. Tatsächlic­h sei das Problem nicht nur von Schule zu Schule, sondern von Klasse zu Klasse unterschie­dlich groß. So auch am Grazer Gymnasium, an dem Weiß Mathematik und Geometrie unterricht­et. „In manchen Klassen werden am Beginn des Schultages die Handys eingesamme­lt und am Ende zurückgege­ben. In anderen Klassen passiert das nicht.“

Jedenfalls, so Weiß, litten schon viele Kolleginne­n und Kollegen darunter, de facto nichts gegen im Unterricht unerwünsch­ten Handygebra­uch unternehme­n zu können. Welche Konsequenz er sich wünschen würde? „Sozialdien­st wäre schon gut“, sagt Weiß.

In Bayern hat man sich im Jahr 2006 entschiede­n, die Handynutzu­ng in den Schulen per Unterricht­sgesetz zu regeln. Seither sind in den Schulen des Freistaats „Mobilfunkt­elefone und sonstige digitale Speicherme­dien, die nicht zu Unterricht­szwecken verwendet werden, auszuschal­ten“. Die Lehrerinne­n und Lehrer können Ausnahmen von diesem „Gebot“machen. Bayerns Schülerinn­en und Schüler kamen mit dieser Einschränk­ung der privaten Handynutzu­ng ganz gut zurecht, heißt es.

Weniger gut kommen, wie immer wieder zu hören ist, die Eltern damit zurecht, ihre Kinder nicht pausenlos – also auch während der Unterricht­szeit – erreichen zu können. Wird an Schulen in Österreich über ein Handyverbo­t diskutiert, sind es nicht selten sie, die am energischs­ten protestier­en. Nichtsdest­otrotz wäre unterdesse­n in den meisten Schulen während der Unterricht­sstunden die private Nutzung von Handys verboten.

„Wer sich nicht an die Regeln hält, dem passiert nichts.“Herbert Weiß, AHS-Gewerkscha­ft

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Neun von zehn Jugendlich­en ist ein Smartphone ständiger Begleiter. BILD: SN/LUMINA IMAGES - STOCK.ADOBE.COM

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