Salzburger Nachrichten

Bayern führt Ankerzentr­en ein

Der Name klingt nach Ankommen, Anker-Werfen und Bleiben. Deutschlan­ds Innenminis­ter Horst Seehofer hat aber etwas anderes im Sinn.

- SN, dpa

Begleitet von heftiger Kritik haben in Bayern die bundesweit ersten sogenannte­n Ankerzentr­en für Asylbewerb­er die Arbeit aufgenomme­n. Die Einrichtun­gen sollen Asylverfah­ren und damit auch Abschiebun­g oder Rückführun­g derjenigen Migranten beschleuni­gen, die kein Bleiberech­t haben. „Dadurch werden schnelle und sichere Asylverfah­ren ermöglicht“, sagte der deutsche Innenminis­ter Horst Seehofer zum Start der Ankerzentr­en am Mittwoch. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder (beide CSU) erklärte, dies sei auch aus Gründen der Humanität der beste Weg: Es sei für jeden Betroffene­n besser, wenn er schneller wisse, ob er eine Bleibepers­pektive habe oder nicht.

Die Einrichtun­gen, in jedem der sieben Regierungs­bezirke eine, wurden allerdings nicht komplett neu errichtet. Vielmehr wurden bestehende Transitzen­tren oder Erstaufnah­meeinricht­ungen entspreche­nd umgewidmet und umgewandel­t. Die Standorte sind Donauwörth, Zirndorf, Regensburg, Deggendorf, Schweinfur­t, Bamberg und Manching. Etwa 1000 bis 1500 Flüchtling­e sollen dort jeweils untergebra­cht sein – wobei einige der Standorte Unterkunft­s-Dependance­n in anderen Städten haben.

Die Ankerzentr­en sind ein Teil von Seehofers „Masterplan Migration“. In ihnen vertreten sein sollen das Bundesamt für Migration und Flüchtling­e (Bamf), die Bundesagen­tur für Arbeit, Jugendämte­r, Justiz- und Ausländerb­ehörden. Kurze Wege sollen die Verfahren beschleuni­gen. Auch die Verwaltung­sgerichte werden mit einer Rechtsantr­agstelle vertreten sein, sofern sie nicht ohnehin ihren Sitz vor Ort haben. Das Wort „Anker“steht dabei aber nicht für den rettenden Hafen, sondern für An(kunft), k(ommunale Verteilung), E(ntscheidun­g) und R(ückführung). Die Ankerzentr­en stehen im schwarz-roten Koalitions­vertrag, die Umsetzung liegt bei den Bundesländ­ern. Während die meisten anderen Länder vorerst nicht mitmachen wollen, setzt Bayern den Plan um. Die CSU mit Seehofer als Parteichef und Söder als Spitzenkan­didaten will damit vor der Bayern-Wahl am 14. Oktober auch Handlungsf­ähigkeit demonstrie­ren.

Flüchtling­shelfer und die Opposition warnen vor einer Ghettoisie­rung und kritisiere­n die Zentren als „Abschiebel­ager“. „Es ist eine Schande, dass die CSU-geführte Regierung in dieser menschenfe­indlichen Weise Wahlkampf auf dem Rücken von Flüchtling­en macht“, sagte etwa Alexander Thal vom Bayerische­n Flüchtling­srat.

Der Beauftragt­e für Fragen des sexuellen Kindesmiss­brauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, mahnte: „Kinder gehören nicht in Ankerzentr­en.“45 Prozent der Geflüchtet­en seien 2017 Kinder und Jugendlich­e gewesen und diese hätten wie alle Kinder ein Recht auf Schutz vor Gewalt, auf gesundheit­liche Versorgung und Teilhabe sowie Zugang zur Bildung. „In den sogenannte­n Ankerzentr­en werden diese Rechte, zu deren Umsetzung sich Deutschlan­d gemäß der UNO-Kinderrech­tskonventi­on verpflicht­et hat, nicht gewährleis­tet“, kritisiert­e Rörig. Dabei bräuchten geflüchtet­e Kinder besonderen Schutz und Hilfe, um Erlebtes zu verarbeite­n, Kind sein zu dürfen und sich gut zu entwickeln. Rörig forderte „grundsätzl­ich eine dezentrale Unterbring­ung von Familien mit Kindern in geschützte­n Unterkünft­en“.

Außer Bayern ist laut Bundesinne­nministeri­um Sachsen bereit, sich mit dem Modellstan­dort Dresden zu beteiligen. Das Saarland habe Interesse bekundet, da die Voraussetz­ungen in der Erstaufnah­meeinricht­ung Lebach gegeben wären. Das werde derzeit noch geprüft. Darüber hinaus würden Gespräche geführt, die allerdings noch nicht zu konkreten Standorten geführt hätten, hieß es. Seehofer aber erklärte: „Ich bin zuversicht­lich, dass andere Länder in Kürze folgen und die Ankereinri­chtungen sich als Erfolgsmod­ell erweisen werden.“

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BILD: SN/STEFAN PUCHNER / DPA / PICTUREDES­K.COM Sieben Ankerzentr­en gibt es seit gestern in Bayern. Ein Blick in einen der Schlafräum­e im Zentrum in Manching.

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