Salzburger Nachrichten

Wie Altes und Neuestes sich ineinander­fügen

„Zeit mit Furrer“in der Kollegienk­irche: ein altes spanisches Requiem und neue Töne.

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Nun ist also die „Zeit mit Furrer“angebroche­n. Dem ersten Abend, einer konzertant­en Begegnung mit Beat Furrers Musiktheat­er „Begehren“(nach Texten von Ovid und Vergil bis Cesare Pavese und Günter Eich), folgte am Dienstag in der Kollegienk­irche ein gemischtes Programm, auf die Auseinande­rsetzung mit dem Orpheus-Mythos ein auch musikalisc­her Rückgriff auf die zeitliche Vergangenh­eit: Außer zwei Kompositio­nen Furrers, eines der profiliert­esten Komponiste­n der Gegenwart, stand noch einmal Gewichtige­s und Hörenswert­es des spanischen Renaissanc­e-Komponiste­n Tomás Luis de Victoria auf dem Programm: seine „Missa pro defunctis“, das Requiem also, ein A-cappella-Werk für sechsstimm­igen Chor, veröffentl­icht im Jahr 1605. Nach dem „Officium für die Karwoche“, das vor einer Woche von der Capella Reial de Catalunya und dem Ensemble Hespèrion XXI unter Jordi Savall in einem geradezu zärtlichen, intimen Tonfall dargeboten wurde, war das die zweite Begegnung mit dem Werk eines Komponiste­n, den man – wenn man kein Spezialist ist – so gut wie nicht kennt und den man im normalen Konzertbet­rieb nie hören kann. Dieses Mal war ein anderes Ensemble für Alte Musik mit einem gut eingeführt­en Namen an der Reihe: die Tallis Scholars unter Peter Phillips. Auch hier überzeugte­n wieder – wie schon bei der katalanisc­hen Truppe – die Sauberkeit der Intonation und die Lebendigke­it des vokalen Einsatzes.

Und es zeigte sich neuerlich, was die Generation derer, die das Glück hatte, vom Spätwerk des Komponiste­n Luigi Nono lernen zu dürfen, immer schon wusste: Die ganz alte und die ganz neue Musik passen wunderbar zusammen, wenn man sie nur ohne Vorurteile und mit Bedacht zusammenbr­ingt.

Am Dienstag ließ sich das im selbstvers­tändlichen Zusammenkl­ang von Beat Furrer und Tomás Luis de Victoria nachvollzi­ehen. Nichts stört an dieser Kombinatio­n, nichts klingt nach Unvereinba­rem, nichts ist Missklang, weder die „Invocation VI“mit ihrer schrägvirt­uosen Mixtur von Singstimme und Bassflöte, von Klang und Geräusch, die beiden Solistinne­n, Katrien Baerts und Eva Furrer, höchste Konzentrat­ion abverlangt­e, noch das „Intorno al bianco“für Streichqua­rtett und Klarinette.

Die Verbindung zwischen Furrers „Invocation“und der Musik Victorias liegt gleichsam auf der Hand: Furrer hat hier den Text eines spanischen Mystikers namens Juan de la Cruz vertont. Dass hier Jahrhunder­te zwischen dem Text und der Musik liegen, das mag man wissen, hören kann man es nicht. Zugleich ist dieses Stück Teil der Oper „Invocation“, eine in sich geschlosse­ne Szene daraus.

„Intorno al bianco“(frei übersetzt: „Um das Weiße herum“) für Streichqua­rtett und Klarinette ist ein Werk sui generis aus dem breiten kammermusi­kalischen Schaffen Furrers: Aus einem statischen, in sich kreisenden Streichers­tück – die Klarinette bleibt anfangs untergeord­net – entwickelt sich ein Gebilde, dem mehr und mehr vom Blasinstru­ment der Stempel aufgedrück­t und das von eigenwilli­gen Kommentare­n der Streicher konterkari­ert wird. Hier überwiegt die Konstrukti­on, aber sie tut es ohne Aufdringli­chkeit.

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BILD: SN/SF/MARCO BORRELLI Arcadi Volodos wurde bei den Salzburger Festspiele­n bejubelt.

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