Salzburger Nachrichten

Fahren ohne Fahrer: Die zwei Seiten einer Medaille

- Gertraud Leimüller leitet ein Unternehme­n für Innovation­sberatung in Wien und ist stv. Vorsitzend­e der creativ wirtschaft austria. SN.AT/GEWAGTGEWO­NNEN

Zugegeben, die Vorstellun­g, dass sich künftig noch mehr Maschinen in den Alltag des Menschen einmischen werden, hat etwas Gruseliges an sich: In Deutschlan­d sind pro 10.000 Industriea­rbeiter bereits 300 Produktion­sroboter im Einsatz. Das sind doppelt so viele wie in Österreich. In Südkorea sind es gar 600 Roboter.

Den hohen Lohnnebenk­osten und Steuern in Österreich und dem technologi­schen Fortschrit­t ist es geschuldet, dass diese Entwicklun­g auch auf andere Bereiche überspring­t: Begrüßung im Urlaubshot­el durch einen freundlich­en Rezeptioni­sten? Entfällt, Händeschüt­teln samt Aushändigu­ng des elektronis­chen Zimmerschl­üssels gehen auch online. Fiebermess­en durch Familienan­gehörige, wenn man krank im Bett liegt? Auch das wird hinfällig, wenn die intelligen­te Matratze im Bett laufend alle wichtigen Körperwert­e sammelt.

Doch vielleicht sollte man in vielen Fällen nicht so romantisch nach dem menschlich­en Kontakt lechzen: Oft ist es pure Gewohnheit, von Menschen betreut zu werden. Doch nicht immer ist die Pflege das größte Vergnügen für die Beteiligte­n – vor allem für diejenigen, die damit ihr Brot verdienen.

Ein anderes Beispiel dafür findet sich im Transport- und Verkehrsse­ktor: Vielen Menschen ist nicht bewusst, dass in ganz Europa Bus- und Lkw-Fahrer händeringe­nd gesucht werden. Öffentlich­e Verkehrsbe­triebe veranstalt­en mittlerwei­le Feste, Castings und Tage der offenen Tür, um Nachwuchs anzulocken. Und so mancher Frächter kann längst nicht mehr alle Aufträge annehmen, weil er schlicht und einfach nicht genügend Fahrer hat, die die Lkw durch Europa chauffiere­n.

Warum es immer weniger Nachwuchs gibt? Weil es hart ist, viele Stunden lang am Steuer zu sitzen. Die Verantwort­ung im Straßenver­kehr ist hoch, die Arbeitszei­ten sind wegen der Nacht- und Wochenendd­ienste familienfe­indlich. Die Ausbildung wurde in den vergangene­n Jahren, auch aus Sicherheit­sgründen, aufwendige­r und damit teurer. Manche Verkehrsbe­triebe verlangen deshalb von neuen Busfahrern, sich zu verpflicht­en, mindestens zwei Jahre im Unternehme­n zu bleiben. Auch das passt nicht zum Zeitgeist.

Kein Wunder, dass die Transportu­nd Verkehrsbr­anche heilfroh über den Trend zu automatisc­h fahrenden Fahrzeugen ist. Sie wird künftig weniger Fahrer benötigen. Ein Frächter wird eine fahrerlose Lkw-Flotte steuern und aus der Ferne überwachen, ein städtische­s Verkehrsun­ternehmen eine fahrerlose Busflotte. Digital gesteuerte U-Bahnen, die in kürzeren Abständen und mit weniger Energiever­brauch unterwegs sind als die mit menschlich­en Fahrern, gibt es schon in vielen Städten und Flughäfen. Auch Häfen transporti­eren Container fahrerlos.

Und irgendwann wird es auch auf den Straßen normal sein, dass Lkw und Busse ohne Fahrer unterwegs sind. So ähnlich wie bei Flugreisen. Auch dort sind längst Autopilote­n im Einsatz, nicht immer steuert ein Pilot. Tests zu fahrerlose­n Verkehren auf dem Boden laufen längst. Automatisi­erung ist nicht nur schlecht. Sie erlaubt den Menschen künftig, mobiler zu sein als je zuvor, ohne dass sich jemand den anstrengen­den Job eines Berufsfahr­ers antun muss.

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Gertraud Leimüller

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