Humor kann Angst auflösen
Wie entsteht Angst? Wie damit umgehen? Die Salzburger Hochschulwochen bieten Antworten.
SALZBURG. Ein ostdeutscher Gewerkschafter sollte mehr lachen. Auf diesen Satz lassen sich zwei Vorträge zusammenraffen, in denen bei den Salzburger Hochschulwochen das heurige Generalthema „Angst?“erörtert worden ist. Zu Wort kamen ein Arbeitssoziologe über „Angst im Kapitalismus“und eine Medizinerin über „Angst und Humor“. Allerdings ist nach diesem Mittwochvormittag auch das Resümee zu ziehen: Das Lachen könnte dem ostdeutschen Gewerkschafter nur dabei helfen, wenig begründete Angst loszuwerden, um die eigentlichen Bedrohungen zu erkennen.
Worin die Ängste des ostdeutschen Gewerkschafters bestehen, erläuterte Klaus Dörre, Universitätsprofessor in Jena, der für seine Studien Betriebsräte und Gewerkschafter befragt hat. Statt Gehälter im eigenen Unternehmen und sich verschiebende Einkommens- und Vermögensverteilung in der eigenen Gesellschaft zu thematisieren, werde gegen Migranten argumentiert. In diesem „Modus der Angstabwehr“werde der Verteilungskonflikt umdefiniert, sagte Klaus Dörre.
Die „neue soziale Frage“bestehe nicht mehr in Umverteilung von unten nach oben, sondern von innen nach außen. Ostdeutsche Gewerkschafter richteten ihren Einsatz gegen Angehörige fremder Kulturen und Migranten mit dem Argument, diese sollten „ein Stück vom Wohlstandskuchen“bekommen, ohne eingezahlt zu haben. Folglich erhebe die AfD, mit der viele Gewerkschafter und Betriebsräte unverhohlen sympathisierten, „alte linke Forderungen“nach höheren Löhnen und Pensionen, doch in der Gegenfinanzierung stünden Kürzungen der Flüchtlingshilfe.
Angst vor Einwanderern sei jedoch sachlich wenig gerechtfertigt, sagte Klaus Dörre. Von der Rekordzahl 2017 von 68 Millionen weltweit auf der Flucht befindlichen Menschen sei „nur ein Bruchteil in Europa“angekommen. In Deutschland sei die Zahl der Ankommenden in den Vorjahren „drastisch gesunken“, viele für Flüchtlinge vorgesehene Unterkünfte würden geschlossen. Zugleich mangle es in Ostdeutschland an Arbeitskräften; so sei unklar, wie der Bedarf an Personal in der Pflege ohne Zuwanderer überhaupt zu decken sei. Klaus Dörre folgert: Die Angst vor Migranten werde großteils geschürt.
Doch Angst, wie sie von Rechtspopulisten ausgebeutet und umgeleitet werde, habe in einer kapitalistischen Wirtschaft durchaus reale Ursachen, beteuerte der Soziologe. Bei Vermögen wie Einkommen gehe die Schere zwischen Arm und Reich immer weiter auf – Klaus Dörre sprach von der „Angst, arm zu werden“. Die Arbeiterschaft büße an Reputation ein, „man fürchtet in einem Status festzustecken, der gesellschaftlich nicht geachtet ist“. Hinzu komme etwa die Angst vor der Globalisierung; spätestens in der Finanzkrise von 2007 bis 2009 sei deutlich geworden, dass die kapitalistische Wirtschaft plötzlich und unkontrollierbar wie auf einer schieben Ebene abrutschen könne.
Um Konsequenzen von Angst – sei sie berechtigt, umgeleitet oder geschürt – aufzuzeigen, zitierte Klaus Dörre die ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright, die in ihrem soeben auf Deutsch erschienenen Buch „Faschismus – Eine Warnung“(DuMont, Köln) feststellt: „Die Angst ist der Grund, warum der Faschismus emotional alle gesellschaftlichen Ebenen durchdringen kann.“Albright halte USPräsident Trump nicht für einen Faschisten, sondern für einen Populisten, der antidemokratisch agiere, sagte Klaus Dörre. Das sei die Vorbereitung für das, was zu Faschismus werden könne. Und er erinnert: Alle faschistischen Bewegungen in Europa seien auf demokratischem Weg an die Macht gekommen. Alle faschistischen Bewegungen verstünden sich als Bündnisse mit „Arbeitern und kleinen Leuten“.
Wie sollen wir mit Angst umgehen? Wie lässt sie sich mildern? Grundsätzlich seien Reaktionen auf Angst – wie Adrenalinausschüttung, hoher Puls, blasse Haut und verbesserte Muskeldurchblutung – „durchaus wichtig und normal“, sagte Barbara Wild, Ärztin für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie aus Stuttgart. So werde in Gefahr schnelle Reaktion möglich: Flucht oder Kampf. Zudem stellt sie fest: „Angst ist ansteckend.“Wer einen ängstlichen Menschen sehe, werde ebenso von Angst erfasst – ein Extremfall sei die Massenpanik.
Barbara Wild unterscheidet die „Realangst“von der häufigeren, früher angelernten und in Fantasien ausgebauten „neurotischen Angst“. Die werde oft in einem Teufelskreis größer und größer – bis zur Erkrankung. An „behandlungsbedürftigen Angststörungen“litten zehn bis 15 Prozent der Bevölkerung – mehr als an Depression oder Sucht.
Humor kann Angst kurieren. „Humor ist Zärtlichkeit im Angesicht der Angst“, so lautet ein Zitat des Cartoonisten Mordillo. Humor erfordere Gelassenheit, Spontaneität und die Bereitschaft, nach Lustigem Ausschau zu halten, sagte Barbara Wild. Zudem solle man versuchen, ab und zu über sich selbst zu lachen oder einer unangenehmen Situation etwas Lustiges abzuringen. So nähere man sich der Erkenntnis von Jean Paul: „Freiheit gibt Witz und Witz gibt Freiheit.“
Konferenz: „Angst?“, Salzburger Hochschulwochen, Große Aula der Universität Salzburg, bis 5. August.
„Humor ist Zärtlichkeit im Angesicht der Angst.“Guillermo Mordillo, Cartoonist