Die Nordostpassage ist seit Mitte Juli eisfrei
Zum ersten Mal fuhr ein Tanker ohne Eisbrecher. Umweltschützer sind zunehmend besorgt.
SALZBURG. Die Eisschmelze im nördlichen Polarmeer beschleunigt sich. Deutlich sichtbar wurde das vor rund 14 Tagen, als erstmals ein russischer Tanker über die Nordostpassage in Richtung Beringstraße nach China fuhr. Das ist in den Sommermonaten seit einigen Jahren möglich. Doch dieses Mal begleitete kein Eisbrecher mehr das Frachtschiff.
Die Nordostpassage ist ein 6500 Kilometer langer Seeweg, der durch das nördliche Polarmeer führt – von Norwegen über Sibirien bis zur Beringstraße, einer Meerenge im äußersten Osten, die Russland von Amerika trennt. Sie ist ein alter Menschheitstraum: Im 16. Jahrhundert machten sich erstmals der Niederländer Willem Barents und der Engländer Sir Hugh Willoughby auf Erkundungsfahrt auf. Beide waren erfahrene Seefahrer, trotzdem scheiterten sie im Packeis. Bis jetzt gab es selbst im Sommer diese Packeisschicht, die nur von schwerem Gerät überwunden werden konnte. Das war teuer. Deshalb nahmen Schiffe die Route durchs Mittelmeer und den Suezkanal und fahren um Indien, um nach Asien zu gelangen. Das kostet erheblich mehr Geld. Wenn man von Europas größtem Hafen Rotterdam nach Ulsan in Südkorea fährt, sind das über den Suezkanal rund 11.000 Seemeilen. Fährt man jedoch über die Nordostpassage, sind es 3000 Seemeilen. Das ist umgerechnet eine Abkürzung um 5500 Kilometer.
Für die Fahrt dieses Jahr benötigte das russische Schiff nur drei Wochen. Für die Strecke vom norwegischen Hammerfest bis nach Pohang in Südkorea würde eine Fahrt nur noch 19 Tage dauern. Vom Hamburger Hafen könnte man so über Norwegen, Russland und Sibirien nach Japan oder China fahren. Die Chinesen planen im isländischen Finnafjord bereits einen großen Umschlaghafen, den sie ebenfalls über die Nordostpassage ansteuern wollen. Von Island aus sollen dann ihre Exportgüter über Europa verteilt werden. Die Eisschmelze macht zunehmend neue Routen frei oder bekannte Routen gefahrloser für einen längeren Zeitraum.
Laut den Fachleuten des AlfredWegener-Instituts für Polar- und Meeresforschung (AWI) ist das Eis in der Arktis saisonalen Schwankungen ausgesetzt, im arktischen Sommer nimmt die Meereisausdehnung ab und erreicht im September ihren Tiefpunkt. Zu diesen natürlichen Schwankungen kommen jetzt die Auswirkungen des Klimawandels, die weitreichende Folgen haben. Umweltschützer sehen die zunehmende lukrative „Bewirtschaftung“der Nordostpassage mit Unbehagen. Denn mit einer regelmäßigen Nutzung der Passage steigt die Gefahr großer Umweltkatastrophen, wie dem Kentern eines Öltankers. Das Ökosystem Arktis würde sich nur langsam von einem solchen Desaster erholen. Es gibt keine Technik und Erfahrung darin, bei Eisbedeckung das Meer zu reinigen. Der Abbau des Öls durch Bakterien sei wesentlich weniger effektiv als bei warmen Temperaturen. Die Möglichkeit, die Nordostpassage regelmäßig zu befahren, birgt noch andere Risiken, denn unter dem Eis werden Rohstoffvorkommen vermutet, die dann rentabel transportiert werden könnten. Der Abbau würde Lebensräume für Tiere zerstören und große Umweltverschmutzung mit sich bringen. Nach internationalem Recht haben die Arktisanrainer Kanada, USA, Norwegen, Dänemark und Russland Anrecht auf die Rohstoffe bis 200 Meilen vor ihrer Küste.