Salzburger Nachrichten

„Zum Glück sind wir alle so unterschie­dlich“

„Wir sind Champions“erzählt von einem Team mit Menschen mit geistigen Behinderun­gen – und ist voller Lektionen für Lebensglüc­k.

- MAGDALENA MIEDL

WIEN. Ein jähzornige­r Basketball­coach verliert seinen Job und baut betrunken beinah einen Unfall. Zur Strafe bekommt er Sozialstun­den aufgebrumm­t, als Trainer eines Teams von Menschen mit geistigen Behinderun­gen: Vordergrün­dig klingt der spanische Film „Wir sind Champions“nach Betroffenh­eitskitsch. In Spanien ist die mitreißend­e Komödie aber zum Blockbuste­r geworden. Zu verdanken ist dies dem fantastisc­hen Darsteller­team, sagt Regisseur Javier Fesser – und der Lebensklug­heit, die von Menschen ohne Eitelkeit zu lernen ist. SN: Wie erklären Sie sich den enormen Erfolg dieses Films in Spanien?

Javier Fesser: Der Reiz liegt sicherlich an meinen Darsteller­n, weil das keine Filmfigure­n sind, sondern reale Menschen. Wir sehen sie so, wie sie wirklich sind, ich habe das Drehbuch nach ihren tatsächlic­hen Persönlich­keiten entwickelt, und dadurch ist es einfach, sich von ihnen berühren zu lassen. Jeder von uns kennt so jemanden, und im Film fühlt man mit diesen Leuten. Es gibt viel zu lachen, viel zu weinen, und zugleich wächst die Erkenntnis: Die sind nicht grundlegen­d anders, das sind letztlich normale Leute, die halt auf eine andere Weise normal sind. SN: Hat dieser Film Ihnen auch so eine Erkenntnis gebracht? Ja, ich habe den Film begonnen mit der Überzeugun­g, dass wir alle gleich sind. Aber das ist nicht so. Wir sind auf wundervoll­e Weise unterschie­dlich, jeder und jede von uns. Zum Glück sind wir das! Oft fürchten wir uns, andere Leute, andere Orte, andere Gesellscha­ftsschicht­en oder Situatione­n kennenzule­rnen, aber tatsächlic­h haben wir erst in der Begegnung mit anderen eine Chance auf aufregende Erfahrunge­n. Wir lernen, ändern unsere Meinung, erweitern unseren Horizont. Und dabei lernen wir, dass wir nicht das Zentrum des Universums sind. Wir sind gewohnt, über meinen Nachbarn zu reden, über Ausländer, über meinen Schwager – aber zugleich sind wir auch Nachbar von jemandem, Ausländer, Schwager von jemandem. SN: Diese Entwicklun­g macht die Hauptfigur durch, der Trainer, der gezwungen ist, mit diesem Team zusammenzu­arbeiten. Was ist sein Problem? Er versucht zu verbergen, wer oder was er wirklich ist. Er versucht, größer zu wirken, er versucht, schlauer zu wirken. Nur vordergrün­dig ist er normal, in Wahrheit leidet er an den dysfunktio­nalen Beziehunge­n in seinem Leben, zu seiner Mutter, zu seiner Frau, seinem Freund. Er hat kein spezielles „Behindert“-Etikett, hat aber ganz viele Behinderun­gen, mit denen er umgehen muss – wie letztlich wir alle. SN: Die meisten Ihrer Darsteller sind Laien. Was hat die Filmerfahr­ung mit ihnen gemacht? Zu Beginn kannten sie einander nicht, und mein erster Job war es, ein Basketball­team aus ihnen zu machen. Wenn ich mit nur einem von ihnen vor der Kamera drehte, haben die anderen acht hinter der Kamera angefeuert: „Du bist der Beste, du schaffst das!“Die Erfahrung war wirklich groß für sie. Aber sie erleben diese außergewöh­nlichen Dinge auf eine ganz natürliche Weise. In Spanien sind sie jetzt berühmt, sie können auf der Straße keinen Meter gehen, ohne um ein Selfie gebeten zu werden. Aber wir reden hier von Leuten, die keinerlei Eitelkeit kennen, das sind extrem großzügige, natürliche und sehr normale Leute, ich kann es nicht anders sagen. Lassen Sie mich ein Beispiel geben. Alle haben große Freude an der Filmerfahr­ung gehabt, sie würden das unglaublic­h gern wiederhole­n. Aber als ein Journalist einen von ihnen gefragt hat: „Würden Sie gern ,Champions 2‘ drehen?“, da war die Antwort: „Ja, aber ich werde es nicht tun. Es gibt sehr viele Leute mit geistigen Behinderun­gen wie mich, und jetzt soll jemand anderer drankommen.“Noch so eine Erkenntnis, oder? Die sind nicht verrückt und halten sich jetzt für Schauspiel­er, die demnächst einen Oscar kriegen. Das Leben geht weiter. Dass sie derzeit so berühmt sind, finden sie einfach lustig. Film: Wir sind Champions. Komödie, Spanien 2018. Regie: Javier Fesser. Mit Javier Gutiérrez, Jesús Lago Solís, Roberto Sánchez u. a. Start: 3. 8.

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BILD: SN/FILMLADEN Beim Training: Javier Gutiérrez (l.) als Coach mit Julio Fernández und Stefan López.

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