Krebs ist eine unterschätzte Gefahr am Arbeitsplatz
Arbeitsbedingte Krebserkrankungen verursachen 20 Mal so viele Todesopfer wie Arbeitsunfälle. Die AUVA möchte nun das Wissen über krebserregende Arbeitsstoffe verbessern.
Krebserkrankungen sind für mehr als die Hälfte aller tödlichen Berufserkrankungen in Europa verantwortlich. Zu diesem Schluss kommen sämtliche verfügbaren internationalen Untersuchungen und Hochrechnungen. Für Österreich bedeutet das, dass jedes Jahr etwa 1800 Menschen an arbeitsbedingten Krebserkrankungen sterben dürften, in den meisten Fällen erst in der Pension. Da wird oft kein Zusammenhang mehr mit dem Arbeitsleben hergestellt. Die AUVA hat nun eine Kampagne gestartet, um Arbeitgeber und Arbeitnehmer auf die unterschätzte Gefahr aufmerksam zu machen. Überzeugt ist man davon, dass künftig viele Fälle vermieden werden könnten, wäre das Wissen über krebserregende Arbeitsstoffe und den sicheren Umgang damit besser. Die Liste nachweislich krebserregender Stoffe ist lang, sie reicht von Asbest – dem Hauptverantwortlichen für berufsbedingten Lungenkrebs – bis zu Zytostatika. In vielen Branchen wird mit krebserregenden Stoffen gearbeitet.
Hochrechnungen besagen, dass in Europa 53 Prozent der arbeitsbedingten Todesfälle auf Krebs entfallen. Damit ist das Risiko, berufsbedingt an Krebs zu sterben, 20 Mal so hoch, wie einen tödlichen Arbeitsunfall zu erleiden.
WIEN. Etwas mehr als 100 Menschen sind im vergangenen Jahr in Österreich bei der Arbeit tödlich verunglückt. Etwas mehr als 1800 Menschen dürften im vergangenen Jahr an den Folgen arbeitsbedingter Krebserkrankungen gestorben sein. Der erste Wert ist eine Tatsache. Der zweite Wert ist eine Schätzung. Er kam in einer groß angelegten Studie durch die Hochrechnung aller zu diesem Thema verfügbaren EU-Daten zustande.
Die Studie kam zum selben Schluss, zu dem schon die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die Internationale Arbeitsagentur (ILO) gekommen waren: Europaweit sind Krebserkrankungen für mehr als die Hälfte der tödlichen Berufserkrankungen verantwortlich. Genauer: für geschätzte 53 Prozent. Klar an erster Stelle: Lungenkrebs. Hauptverantwortlich für arbeitsbedingten Lungenkrebs: Asbest.
Die unterschätzte Krebsgefahr am Arbeitsplatz löste in den vergangenen Jahren eine Reihe von Initiativen in verschiedenen EU-Ländern aus. Auch in Österreich, wo sich der ÖGB sehr engagiert. In der aktuellen „ArbeitnehmerInnenschutzstrategie“spielen krebserregende Arbeitsstoffe eine zentrale Rolle. Bei der Kooperation aller Akteure innerhalb Österreichs kommt der AUVA eine Schlüsselrolle zu. Sie hat Anfang Juni eine Präventionskampagne gestartet, die Arbeitgeber und Arbeitnehmer sensibilisieren möchte, sich der Gefahr bewusst zu werden und etwas dagegen zu unternehmen. Viele Fälle könnten vermieden werden, wäre das Wissen
Lang ist die Liste krebserregender Stoffe
über krebserregende Arbeitsstoffe und den sicheren Umgang damit nicht so gering. Die AUVA spricht aber auch die Ärzte an. Denn da der Krebs in vielen Fällen erst in der Pension ausbricht, wird der Zusammenhang mit dem Arbeitsleben oft nicht hergestellt und die für die AUVA wichtige Arbeitsanamnese bleibt aus. Das ist zugleich einer der Gründe, warum die Datenlage in Österreich so bescheiden ist.
Die Liste krebserregender Arbeitsstoffe ist lang. Sie reicht von Asbest über Benzol, Chrom, Dieselmotoremissionen, Formaldehyd, Holzstaub, Insektizide, künstliche Mineralfasern und Quarzstaub bis zu Zytostatika, um nur einige zu nennen. Ausgesetzt sind den Stoffen Menschen in den verschiedensten Branchen: vom Baugewerbe über Gesundheitseinrichtungen, Holz, Kunststoff und Metall verarbeitende Betriebe und Kfz-Werkstätten bis zu Rauchfangkehrern.
Prinzipiell gibt es zur Vermeidung gesundheitsgefährdender Stoffe am Arbeitsplatz klare gesetzliche Regeln, wie Silvia Springer und Marie Jelenko von der Abteilung Prävention in der AUVA erläutern. Erstens: einen weniger gefährlichen Stoff finden. Gelingt oder geht das nicht, müssen – zweitens – technische Maßnahmen (Absauganlagen etc.) ergriffen werden. Ist auch das nicht zufriedenstellend, muss – drittens – so umorganisiert werden, dass nicht mehr Personen als unbedingt notwendig Kontakt mit den krebserregenden Stoffen haben. Als vierte und letzte Möglichkeit bleibt die persönliche Schutzausrüstung, also etwa Atemschutzmasken.
Noch läuft die AUVA-Kampagne zu kurz, um sagen zu können, wie sie angenommen wird. Aber eines habe sich gleich gezeigt, sagt Jelenko: Der Informationsbedarf sei groß. „Wir haben, bevor wir die Kampagne gestartet haben, mit einigen Unternehmen telefoniert und gefragt: Was ist aus eurer Sicht wichtig?“, erzählt sie. Die Antwort, die sie von den Chefs, den Arbeitsmedizinern und den Sicherheitskräften der Betriebe bekommen habe, sei einhellig gewesen: mehr sachliche Grundlagen, um sinnvolle Maßnahmen setzen zu können.