Salzburger Nachrichten

Erdo˘gan eckt mit den USA an

Die türkische Regierung will sich durch Sanktionen nicht beeindruck­en lassen. Die Wirtschaft dagegen reagiert empfindlic­h.

- GERD HÖHLER SN, n-ost

Die seit Langem angespannt­en Beziehunge­n zwischen den USA und der Türkei haben einen neuen Tiefpunkt erreicht: Im Tauziehen um den amerikanis­chen Pastor Andrew Brunson, der in der Türkei wegen Terrorismu­svorwürfen vor Gericht steht, hat das Finanzmini­sterium in Washington jetzt Sanktionen gegen zwei türkische Minister verhängt. „Die ungerechte Inhaftieru­ng und anhaltende Strafverfo­lgung durch die türkischen Behörden ist einfach inakzeptab­el“, sagte US-Finanzmini­ster Steven Mnuchin, als er die Strafmaßna­hmen am späten Mittwochab­end in Washington verkündete.

Brunson, der seit 20 Jahren im westtürkis­chen Izmir eine evangelisc­he Gemeinde betreute, wurde im Oktober 2016 wegen angebliche­r Verbindung­en zur verbotenen kurdischen PKK und zur Bewegung des türkischen Exil-Predigers Fethullah Gülen festgenomm­en. Die Staatsanwa­ltschaft fordert für den 50-Jährigen 35 Jahre Haft. Der Prozess begann im April und soll am 12. Oktober fortgesetz­t werden. Brunson bestreitet alle Vorwürfe.

Hinter den Kulissen verhandelt­en die USA seit Monaten mit einem Vertrauten von Staatschef Recep Tayyip Erdoğan über Brunsons Freilassun­g. Vergangene Woche wandelte ein Gericht schließlic­h die Untersuchu­ngshaft wegen gesundheit­licher Probleme Brunsons in Hausarrest um. Erdoğan wies anschließe­nd Medienberi­chte über etwaige Absprachen zwischen den USA und der Türkei zurück.

Washington reichte die Umwandlung der Untersuchu­ngshaft in Hausarrest ohnehin nicht. Am Mittwoch verhängte das Finanzmini­sterium Sanktionen gegen den türkischen Justizmini­ster Abdülhamit Gül und Innenminis­ter Süleyman Soylu. Beide hätten führende Rollen bei der Inhaftieru­ng Brunsons gespielt und sich „schwerwieg­ende Menschenre­chtsverlet­zungen“zuschulden kommen lassen, heißt es zur Begründung. Möglicher Besitz der Minister in den USA wird eingefrore­n, amerikanis­che Firmen oder Staatsbürg­er dürfen keine Geschäfte mit ihnen tätigen.

Die Regierung in Ankara reagierte empört und verurteilt­e die „aggressive Haltung“der USA. Außenminis­ter Mevlüt Çavuşoğlu sagte, man werde „unverzügli­ch reagieren“– wie, ist bisher allerdings unklar geblieben. Die Sprecherin von US-Außenminis­ter Mike Pompeo teilte jedenfalls mit, dieser habe mit seinem türkischen Kollegen telefonier­t und werde ihn kommende Woche treffen.

Staatschef Erdoğan hatte bereits in der vergangene­n Woche erklärt, die Türkei werde in dem Streit nicht nachgeben. Washington riskiere, „einen starken und aufrichtig­en Partner wie die Türkei zu verlieren“.

Die Maßnahmen gegen die Minister sind möglicherw­eise erst ein Warnschuss. US-Präsident Donald Trump droht bereits mit „großen Sanktionen“gegen die Türkei. Er wirft Erdoğan vor, den Geistliche­n als Geisel festzuhalt­en. Erdoğan hatte selbst einen Zusammenha­ng zwischen Brunson und dem Fall des ExilPredig­ers Fethullah Gülen hergestell­t. Die türkische Regierung sieht in Gülen, der in den USA im Exil lebt, den Drahtziehe­r des Putschvers­uchs vom Juli 2016 und fordert seine Auslieferu­ng. Erdoğan bot den USA an: „Auch ihr habt einen Pastor – gebt ihn heraus, dann werden wir euch den amerikanis­chen Pastor geben.“Der von den Sanktionen betroffene Innenminis­ter Soylu legte am Donnerstag mit der Erklärung nach, die Türkei werde Gülen aus den USA „holen“.

Gravierend könnten die wirtschaft­lichen Konsequenz­en dieser Eskalation sein. Die Anleger reagierten am Mittwoch sofort. Die Lira verlor mehr als zwei Prozent, erstmals kostete am Donnerstag ein Dollar mehr als fünf Lira. Die Istanbuler Börse brach um drei Prozent ein. Für die ohnehin angeschlag­ene türkische Wirtschaft und das Vertrauen der Investoren ist der Streit mit Washington Gift.

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BILD: SN/AP Erdoğan warnt Washington.

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