Salzburger Nachrichten

Perus Präsident will Reformen mit Referendum erzwingen

Ein riesiger Justizskan­dal brachte Bewegung in eine festgefahr­ene Politik.

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Perus Bevölkerun­g erhält das letzte Wort in der politische­n Auseinande­rsetzung zwischen Präsident und Opposition. Sie soll per Referendum über die geplante Justizund Politikref­orm entscheide­n. Das hat Präsident Martín Vizcarra dieser Tage in einer Rede an die Nation angekündig­t. Abgestimmt werden soll unter anderem über eine Beschränku­ng der Amtszeit von Kongressab­geordneten, das Verbot privater Wahlkampff­inanzierun­g und eine Rückkehr zum Zweikammer­system.

Die Ankündigun­g erfolgte drei Wochen nachdem ein gewaltiger Justizskan­dal ans Licht gekommen war, der das Land seitdem in Atem hält: Bei Ermittlung­en gegen einen Drogenhänd­lerring wurden Audiomitsc­hnitte bekannt, die von den Behörden gemacht wurden. Sie deckten die Gefälligke­iten und gegenseiti­gen Einflussna­hmen zwischen Richtern, Staatsanwä­lten, Mitglieder­n des Nationalen Rates der Magistratu­r – jener Behörde, die Richter und Staatsanwä­lte ernennt, entlässt und ratifizier­t –, Unternehme­rn und Kongressmi­tgliedern auf. Der Skandal erzwang die Rücktritte von Justizmini­ster Salvador Heresi sowie des Justizpräs­identen Duberlí Rodríguez. Weitere hochrangig­e Richter wurden vorläufig suspendier­t. Im ganzen Land waren in den vergangene­n Wochen Tausende Menschen auf die Straße gegangen, um gegen die grassieren­de Korruption zu demonstrie­ren und eine Reform der Justiz zu fordern.

„Alle Peruaner können sich nun beteiligen und abstimmen, welche Veränderun­gen das Land braucht. Wir werden diese relevanten Entscheidu­ngen mit ihnen treffen“, so Präsident Vizcarra bei der Ankündigun­g der Volksabsti­mmung. Er sucht die Unterstütz­ung der Öffentlich­keit, um seine Ziele zu erreichen. Die bekannt gewordenen „Gefälligke­iten und zwielichti­gen Geschäfte“gingen auf Kosten aller.

Vizcarra ist erst seit März im Amt, nachdem sein Vorgänger und Parteikoll­ege Pedro Pablo Kuczynski wegen Korruption­svorwürfen zurücktret­en musste. Auch diesen hatten Mitschnitt­e in Bedrängnis gebracht. Und das war kein Einzelfall: Die letzten vier Präsidente­n Perus wurden entweder nach ihrer Amtszeit wegen Korruption verurteilt oder mussten deshalb ihren Posten räumen.

Vizcarra setzte eine vom früheren Außenminis­ter Allan Wagner geleitete Kommission ein, die Maßnahmen für eine Justizrefo­rm ausarbeite­te.

In dem nun angekündig­ten Referendum, von dem in der Geschichte Perus bisher erst selten Gebrauch gemacht wurde – das letzte fand 1993 statt –, soll zudem über eine Reform des politische­n Systems abgestimmt werden. Eine solche wird seit 2016 im Kongress von der von Keiko Fujimori geführten Opposition­spartei Fuerza Popular, die die Mehrheit hält, verhindert. Keiko ist die Tochter des wegen Menschenre­chtsverbre­chen verurteilt­en ehemaligen Präsidente­n Alberto Fujimori.

Seit dem Amtsantrit­t Kuczynskis und seiner Partei Peruanos por el Kambio (PPK) vor zwei Jahren hat Fuerza Popular zahlreiche von der Regierung und anderen Parteien eingebrach­te Gesetzesvo­rhaben und Initiative­n abgelehnt. Der Fujimori-Partei wird zudem unterstell­t, kein großes Interesse an der Aufarbeitu­ng des Justizskan­dals zu haben. Das könnte vor allem daran liegen, dass mehrere ihrer Politiker und ihr nahestehen­de Unternehme­n in den Tonaufnahm­en auftauchen. Diese Blockade umgeht Präsident Vizcarra, indem er das Volk abstimmen lässt.

Tausende Peruaner gingen auf die Straße

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