Salzburger Nachrichten

Die vielen Klangfarbe­n des Abschiedne­hmens

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SALZBURG. Mit dem August kommen nach und nach alle Unterabtei­lungen der Salzburger Festspiele ins Laufen. Die Serie der Kammerkonz­erte startete am Dienstag mit einem höchst ambitionie­rten Programm, das neben Werken von Johann Sebastian Bach und Johannes Brahms auch Kompositio­nen von Béla Bartók und Bernd Alois Zimmermann (und damit Stoff für gegenwarts­nahe Diskussion­en) enthielt. Natürlich gab es auch da – wie fast immer bei den Festspielk­onzerten – einen verbindend­en Gedanken: den des Abschiedne­hmens, der allen Werken des Abends eingeschri­eben war. Das eingangs gespielte letzte Streichqua­rtett von Bartók (Nr. 6 Sz 114) handelt von einem erzwungene­n Abschied, einem, der durch die politische­n Verhältnis­se im Europa des Jahres 1939 ausgelöst wurde.

Es ist Bartóks letzte in Europa entstanden­e Kompositio­n, der Anfang vom Ende. 1940 emigrierte er in die USA. Erst nach zwei Jahren fand er wieder Kraft zum Komponiere­n, ehe er endgültig verstummte. Ein bockiger, burlesker Geist geht darin – ähnlich wie in Gustav Mahlers Neunter Symphonie – um. Man muss sich nur die Satzbezeic­hnungen und Spielanwei­sungen anschauen. Das ist Musik, wie geschaffen für das Belcea Quartet, eines der besten jüngeren seiner Art, wenn man bei einem 1994 gegründete­n Ensemble noch von „jünger“sprechen darf. Dass am Schluss des Abends Brahms’ zweites Streichqui­ntett gespielt wurde, gab den vier Musikern und Antoine Tamestit an der zweiten Bratsche Gelegenhei­t zu zeigen, dass man auch romantisch­e Musik mit sozusagen geschärfte­m Feuer vortragen kann.

Tamestit war auch der Solist zweier anderer Abschiedsm­usiken: der Sonate für Viola solo, die Bernd Alois Zimmermann – auf einen Bach-Choral zurückgrei­fend – dem Andenken seiner Tochter widmete, die kurz nach der Geburt gestorben war, und der Ciaconne aus Bachs Zweiter Partita für Violine solo in d-Moll BWV 1004, entstanden in Reaktion auf den Tod von Bachs Frau Maria Barbara, hier in einer vom Solisten selbst erarbeitet­en Fassung für Viola, der freilich die Farben ein wenig verloren gegangen zu sein schienen und der es daher an der Brillanz des Originals mangelte. Aber vielleicht war genau dies die Intention: die verborgene Trauer des Stücks hervorzuhe­ben.

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