Salzburger Nachrichten

Gefahr aus dem Nichts

Temperatur­en jenseits der 30 Grad Celsius schaden Österreich­s Straßen. Ein Phänomen, das sogenannte Blow-up, ist im Sommer besonders gefährlich.

-

WIEN. Sie sind nicht vorhersehb­ar und stellen eine echte Gefahr für alle Verkehrste­ilnehmer auf den Straßen dar: Blow-ups, also Hitzeschäd­en, die auftauchen, wenn die Temperatur­en über mehrere Tage jenseits der 30 Grad Celsius liegen. Wie derzeit in Österreich etwa.

Was passiert dabei mit der Fahrbahn? „Betondecke­n auf Autobahnen haben alle fünf bis fünfeinhal­b Meter Fugen mit Dübeln zur Kraftübert­ragung dazwischen. Ist der Straßenbel­ag alt, kann er sich wölben und aufbrechen“, erklärt Ronald Blab, Leiter des Forschungs­bereichs für Straßenwes­en an der Technische­n Universitä­t (TU) Wien. In Österreich passiere das ein oder zwei Mal im Jahr, sei also selten. Blab steht im Austausch mit Kollegen aus Deutschlan­d. Dort treten Blow-ups häufiger auf. „Bei uns sind sie aber kein systematis­ches Problem. Unsere Autobahnen und Schnellstr­aßen sind allgemein in einem sehr guten Zustand“, sagt der Wissenscha­fter.

Das bestätigt Hannes Zausnig, der in Salzburg und Kärnten Regionalle­iter der Streckenbe­treuung bei der Autobahnme­isterei ist. „Blow-ups sind etwas nicht Alltäglich­es, ich habe das in meinen elf Jahren hier überhaupt nur ein Mal erlebt.“Seine Kollegen fahren täglich die Strecken ab – meist, wenn sie ohnehin schon wegen Unfällen auf dem Weg sind. Die Aufwerfung­en im Beton vorauszuse­hen sei unmöglich, sagt Zausnig. Die Arbeiter achteten dann besonders auf Erhebungen der Fahrbahn, wenn es bei hochsommer­lichen Temperatur­en auch in der Nacht nicht wesentlich abkühle. Sich als Auto- und Motorradfa­hrer vor Blow-ups zu schützen, sei schwierig, sagt Zausnig. Die Straße platze sehr schnell und unvorherge­sehen auf. „Ich habe gehört, dass dann schon wenige Zentimeter reichen, damit es zu Schäden oder sogar zu einem Unfall kommt.“David Nosé, Verkehrste­chniker beim ÖAMTC, berichtet von den Folgen für Lenker: „Wenn sich Platten heben und dann in Fahrtricht­ung brechen, wirkt das wie eine Sprungscha­nze.“Autos können dann sogar für mehrere Meter abheben, je nach Ausrichtun­g des Bruchs. Noch gefährlich­er werde es, wenn sich die Platten gegen die Fahrtricht­ung aufstellen. Nosé: „Das ist, als würde man mit Tempo 130 auf einen hohen Randstein auffahren.“Auch der ÖAMTC-Mann bestätigt, dass Blow-ups in Österreich selten seien. Viel häufiger kommt es in der Sommerzeit zu Unfällen auf Asphalt. In Österreich sind etwa ein Drittel der Straßen betoniert und zwei Drittel asphaltier­t. Das schwarze Gemisch aus dem Bindemitte­l Bitumen und Gesteinskö­rnungen kann sich in der Hitze verformen, Spurrinnen bilden sich. „Kommt es zu einem Gewitter mit Starkregen, gibt es sofort Griffigkei­tsprobleme in diesen Rinnen. Autoreifen schieben den Wasserfilm vor sich her und es kann zu Aquaplanin­g kommen“, sagt Ronald Blab von der TU Wien. Deshalb senkt die Asfinag bei Sommergewi­ttern auf Autobahnen auch die Höchstgesc­hwindigkei­t auf den Überkopfan­zeigen. Immerhin ist sie – auch durch das Einheben der Maut – in der Pflicht, für gefahrenfr­eies Fahren zu sorgen. Das soll durch vermehrte Kontrollfa­hrten während des Tages sichergest­ellt werden.

Was das größte Risiko im Sommerverk­ehr ist, darin sind sich alle drei Experten einig: die Lenker selbst. Tests ergaben, dass Fahrer bei schönem Wetter tendenziel­l flotter unterwegs sind.

Doch: „Reaktionsg­eschwindig­keit und Koordinati­onsfähigke­it sinken bei Temperatur­en von 30 Grad Celsius um ein Viertel, bei 35 Grad Celsius ist bereits mit einer Leistungse­inbuße von 50 Prozent zu rechnen“, erläutert Sonja Rustler, Prävention­sexpertin der AUVA. Die Ursache für die Abnahme der Leistungsf­ähigkeit liege im Flüssigkei­tsmangel, bedingt durch starkes Schwitzen. Auf längeren Autofahrte­n soll daher neben der Flüssigkei­tszufuhr auf regelmäßig­e Pausen geachtet werden.

„Ist der Straßenbel­ag alt, kann er sich wölben und aufbrechen.“Ronald Blab, TU Wien

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Austria