Der Alleskönner passte sich an
Der Homo sapiens war nicht nur klug, er konnte sich auch mit nicht Verwandten arrangieren.
JENA. Der Homo sapiens heißt übersetzt so viel wie: der kluge Mensch. Unser großer Verstand machte uns anderen Menschenarten überlegen. Früheste Spuren von Kunst, Technik und Sprache werden diesem modernen Menschen zugewiesen.
Die Anthropologen vom MaxPlanck-Institut in Jena sagen jetzt, der Homo sapiens sei nicht wegen seines Verstandes so erfolgreich gewesen, sondern vor allem weil er sich spezialisieren konnte, aber gleichzeitig auch ein Alleskönner war, ein sogenannter Generalist.
Das habe ihm den ausschlaggebenden Vorteil verschafft, zu überleben, sagen die Forscher. Seine einzigartige ökologische Stellung auf der Erde als Generalist und Spezialist habe ihm die Fähigkeit verschafft, verschiedene und extreme Lebensräume auf der ganzen Welt zu besiedeln. „Das steht in deutlichem Gegensatz zu den ökologischen Anpassungen anderer menschlicher Arten und könnte erklären, wie unsere Spezies zum letzten überlebenden Vertreter der Gattung Homo auf der Erde wurde“, sagt Patrick Roberts vom MaxPlanck-Institut für Menschheitsgeschichte. Im Gegensatz zu anderen Menschenarten habe unsere Art nicht nur eine Vielzahl von schwierigen Umgebungen wie Wüsten, tropische Regenwälder, Höhenlagen und die Arktis besiedelt, sondern habe sich auch an einige dieser Extreme speziell angepasst.
Vor 80.000 bis 50.000 Jahren besiedelte der Homo sapiens Gebirgsregionen. Vor mindestens 45.000 Jahren besiedelte er dann rasch eine Reihe von arktischen Gebieten sowie tropische Regenwälder in Asien, Melanesien und Amerika. Die Zahl an genauer datierten und zunehmend detaillierten Belegen für die Durchquerung der nordafrikanischen Wüsten, der arabischen Halbinsel und Nordwestindiens sowie der Gebirge Tibets und der Anden durch Homo sapiens wächst beständig.
Roberts erklärt: „Es gibt eine traditionelle ökologische Zweiteilung zwischen Generalisten, die viele verschiedene Ressourcen nutzen und vielfältige Lebensräume bewohnen können, und Spezialisten, die eine spezifischere Ernährung und geringere Toleranz gegenüber wechselnden Umweltbedingungen haben.“Der Homo sapiens als eigentlich generalistische Art umfasse jedoch auch spezialisierte Populationen wie die Bewohner von Bergregenwäldern oder Mammutjäger. Diese ökologische Anpassungsfähigkeit dürfte durch eine starke Kooperationsbereitschaft zwischen den Menschen in der Eiszeit gefördert worden sein, die gar nicht miteinander verwandt waren. „Das Teilen von Nahrungsmitteln, der Austausch über weite Distanzen hinweg und rituelle Beziehungen haben vermutlich den Gruppen ermöglicht, sich bewusst an lokale Klimaund Umweltschwankungen anzupassen und letztlich andere menschliche Arten zu ersetzen“, sagt Roberts.
Letztlich war wohl die Ansammlung, Verwendung und Weitergabe des Erfahrungsschatzes in materieller oder ideeller Form entscheidend dafür, dass sich der moderne Mensch die Nische als generalistischer Spezialist im Pleistozän (Eiszeit) schaffen und erhalten konnte.