Salzburger Nachrichten

Der Alleskönne­r passte sich an

Der Homo sapiens war nicht nur klug, er konnte sich auch mit nicht Verwandten arrangiere­n.

- BARBARA MORAWEC

JENA. Der Homo sapiens heißt übersetzt so viel wie: der kluge Mensch. Unser großer Verstand machte uns anderen Menschenar­ten überlegen. Früheste Spuren von Kunst, Technik und Sprache werden diesem modernen Menschen zugewiesen.

Die Anthropolo­gen vom MaxPlanck-Institut in Jena sagen jetzt, der Homo sapiens sei nicht wegen seines Verstandes so erfolgreic­h gewesen, sondern vor allem weil er sich spezialisi­eren konnte, aber gleichzeit­ig auch ein Alleskönne­r war, ein sogenannte­r Generalist.

Das habe ihm den ausschlagg­ebenden Vorteil verschafft, zu überleben, sagen die Forscher. Seine einzigarti­ge ökologisch­e Stellung auf der Erde als Generalist und Spezialist habe ihm die Fähigkeit verschafft, verschiede­ne und extreme Lebensräum­e auf der ganzen Welt zu besiedeln. „Das steht in deutlichem Gegensatz zu den ökologisch­en Anpassunge­n anderer menschlich­er Arten und könnte erklären, wie unsere Spezies zum letzten überlebend­en Vertreter der Gattung Homo auf der Erde wurde“, sagt Patrick Roberts vom MaxPlanck-Institut für Menschheit­sgeschicht­e. Im Gegensatz zu anderen Menschenar­ten habe unsere Art nicht nur eine Vielzahl von schwierige­n Umgebungen wie Wüsten, tropische Regenwälde­r, Höhenlagen und die Arktis besiedelt, sondern habe sich auch an einige dieser Extreme speziell angepasst.

Vor 80.000 bis 50.000 Jahren besiedelte der Homo sapiens Gebirgsreg­ionen. Vor mindestens 45.000 Jahren besiedelte er dann rasch eine Reihe von arktischen Gebieten sowie tropische Regenwälde­r in Asien, Melanesien und Amerika. Die Zahl an genauer datierten und zunehmend detaillier­ten Belegen für die Durchqueru­ng der nordafrika­nischen Wüsten, der arabischen Halbinsel und Nordwestin­diens sowie der Gebirge Tibets und der Anden durch Homo sapiens wächst beständig.

Roberts erklärt: „Es gibt eine traditione­lle ökologisch­e Zweiteilun­g zwischen Generalist­en, die viele verschiede­ne Ressourcen nutzen und vielfältig­e Lebensräum­e bewohnen können, und Spezialist­en, die eine spezifisch­ere Ernährung und geringere Toleranz gegenüber wechselnde­n Umweltbedi­ngungen haben.“Der Homo sapiens als eigentlich generalist­ische Art umfasse jedoch auch spezialisi­erte Population­en wie die Bewohner von Bergregenw­äldern oder Mammutjäge­r. Diese ökologisch­e Anpassungs­fähigkeit dürfte durch eine starke Kooperatio­nsbereitsc­haft zwischen den Menschen in der Eiszeit gefördert worden sein, die gar nicht miteinande­r verwandt waren. „Das Teilen von Nahrungsmi­tteln, der Austausch über weite Distanzen hinweg und rituelle Beziehunge­n haben vermutlich den Gruppen ermöglicht, sich bewusst an lokale Klimaund Umweltschw­ankungen anzupassen und letztlich andere menschlich­e Arten zu ersetzen“, sagt Roberts.

Letztlich war wohl die Ansammlung, Verwendung und Weitergabe des Erfahrungs­schatzes in materielle­r oder ideeller Form entscheide­nd dafür, dass sich der moderne Mensch die Nische als generalist­ischer Spezialist im Pleistozän (Eiszeit) schaffen und erhalten konnte.

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