Salzburger Nachrichten

Es wartet ein heißer Herbst

Im Moment ist es ruhig, es dürfte aber nur die Ruhe vor dem Sturm sein. Ein Überblick über die anstehende­n Herausford­erungen.

- alf, i.b., mars, pur

Die Regierung ist auf Urlaub, die Opposition auch. In der Politik herrscht Sommerpaus­e. Doch der Herbst wirft bereits seine Schatten voraus. Mit der nächsten Sitzung des Ministerra­tes am 22. August beginnt die politische Herbstarbe­it. Die Regierung muss dabei neben dem EU-Vorsitz eine Reihe heikler Fragen lösen. Ein Überblick:

Brexit

Der österreich­ische Vorsitz der EURatspräs­identschaf­t fällt in eine der heikelsten Phasen in der Unionsgesc­hichte. Ende März 2019 wird Großbritan­nien aus der EU austreten und bis Oktober muss der „Scheidungs­vertrag“fertig sein, der die künftigen politische­n und wirtschaft­lichen Beziehunge­n zwischen den Briten und der EU regeln soll. Doch die Verhandlun­gen stecken. Die Briten wollen Vorteile – wie den Freihandel – auch zukünftig beibehalte­n. Für die EU kommt dieses „Rosinenpic­ken“nicht infrage. Offiziell bleibt auch der Ratsvorsit­zende Sebastian Kurz hart. Doch hinter den Kulissen werden die Fronten immer brüchiger. Ungelöst ist auch die Frage, wie eine Grenze zwischen Irland und der britischen Provinz Nordirland vermieden werden kann. Der EU-Ratsgipfel am 20. September in Salzburg, auf dem die EU-Regierungs­chefs eigentlich das Megathema Migration besprechen wollten, wird aus Zeitgründe­n wohl ein „Brexit-Gipfel.“

Migration

Das Thema wird trotz sinkender Asylantrag­szahlen in der EU und Österreich die Politik weiter be- schäftigen. Aus den verschiede­nsten EU-Ländern sind die unterschie­dlichsten Forderunge­n angesichts der Migration Richtung Europa laut geworden. Die Ideen reichen von Ausschiffu­ngsplattfo­rmen in Nordafrika bis hin zu Migrations­zentren in Spanien, wo in den vergangene­n Wochen die meisten Migranten angekommen sind. Auch eine Art Entwicklun­gsplan für Afrika, um die Migration einzudämme­n, wurde genannt. Konkrete Vorschläge fehlen.

Zuletzt starteten die sogenannte­n Ankerzentr­en in Bayern. In sieben Zentren sollen jeweils bis zu 1500 Flüchtling­e Platz finden, die dort auf den Ausgang ihres Asylverfah­rens warten sollen. Wie sich die Kapazitäts­auslastung in diesen Lagern auf die Grenzkontr­ollen zu Österreich auswirkt, ist noch unklar.

Zwölf-Stunden-Tag

Ab 1. September wird es ernst. Die neuen, umstritten­en Arbeitszei­tregelunge­n treten in Kraft. Ab dann beträgt die tägliche Höchstarbe­itszeit 12 Stunden und die wöchentlic­he Höchstarbe­itszeit 60 Stunden. Außerdem kann jeder Arbeitnehm­er an vier Sonntagen pro Jahr arbeiten. Die Regierung betont, dass die 40-Stunden-Woche aber die Normalarbe­itszeit sei und über einen Durchrechn­ungszeitra­um auch eingehalte­n werden müsse. Die Gewerkscha­ften sehen in dem neuen Gesetz eine deutliche Verschlech­terung für Arbeitnehm­er. Längere Arbeitszei­ten seien ein Gesundheit­srisiko, außerdem könnten Überstunde­nzuschläge wegfallen und die Vereinbark­eit von Beruf und Familie würde deutlich erschwert. Die Gewerkscha­ften haben schon einen „heißen Herbst“mit Protestmaß­nahmen und harten Kollektivv­ertragsver­handlungen angekündig­t.

Kindergärt­en

Dass der Bund weniger Fördermitt­el für die Kinderbetr­euung lockermach­en will, sorgte bereits für helle Empörung in den Ländern. Zuletzt schienen die Zeichen aber auf Kompromiss zu stehen – wie der aussehen wird, ist noch offen. Tatsache ist, dass demnächst drei Bund-Länder-Verträge auslaufen: jener über den Ausbau der Kindergärt­en, jener zur sprachlich­en Frühförder­ung und jener zum Gratiskind­ergartenja­hr. Familienmi­nisterin Juliane Bogner-Strauß (ÖVP) will aus den drei Verträgen möglichst einen machen, weshalb in die Verhandlun­gen mit den Ländern auch das Bildungsmi­nisterium (sprachlich­e Frühförder­ung) eingebunde­n ist. Zugleich sollen in das Paket Dinge gepackt werden, bei denen sich die Frage stellt, ob sie dort hingehören: das Kopftuchve­rbot in den Kindergärt­en und die Neuregelun­g des Landeslehr­er-Controllin­gs.

Am meisten erzürnte die Länder aber, dass Bogner-Strauß’ erster Verhandlun­gsentwurf eine Förderkürz­ung für die Kindergärt­en um 30 Mill. Euro auf 110 Mill. Euro pro Jahr vorsieht.

Landeslehr­er

Junktimier­t mit der Kindergart­enfrage hat der Bund wie eben erwähnt das Landeslehr­er-Controllin­g. Für die Länder ist das ein heikles Kapitel: Um Kleinschul­en in entlegenen Regionen erhalten zu können, stellen sie mehr Pflicht-

schullehre­r an, als der Stellenpla­n des Bundes eigentlich erlaubt. Die Kosten dieser zuletzt etwa 1500 Lehrer müssen die Länder dem Bund zurückzahl­en. Vereinbart ist dafür aber eine Pauschale, die nicht die tatsächlic­hen Lehrerkost­en abdeckt. Dadurch bleibt der Bund auf etwa 30 Millionen Euro Kosten pro Jahr sitzen und will nun bei den Ländern darauf drängen, dass sie die tatsächlic­hen Kosten der Überhang-Lehrer übernehmen.

Kompetenze­n

Ein Bund-Länder-Match wird es im Herbst auch in Sachen Kompetenzb­ereinigung geben. Der Bund möchte zum Beispiel erreichen, dass die Länder ihr Vetorecht gegen das Zusperren von Bezirksger­ichten verlieren. Umgekehrt schlägt er die Verländeru­ng der Kinder- und Jugendhilf­e vor.

In jenen Bereichen, wo der Bund derzeit Grundsatzg­esetze erlässt, die dann von den Ländern mit Ausführung­sgesetzen konkretisi­ert werden, soll es künftig eine klare Kompetenzv­erteilung geben. Es geht um drei Themenfeld­er: Armenwesen (Mindestsic­herung), Elektrizit­ätswesen (Kraftwerke) und Krankenhäu­ser. Im letzten Punkt hat Salzburg bereits Bedenken angemeldet: Eine Zentralisi­errung würde das Ende vieler Kleinspitä­ler bedeuten, befürchtet man.

AUVA

Die Allgemeine Unfallvers­icherungsa­nstalt (AUVA) kämpft darum, ein eigener Versicheru­ngsträger bleiben zu können. Bis Ende August muss sie der Regierung Beschlüsse darüber vorlegen, wie sie das schaffen will, da ihr die Regierung durch die Senkung der Unfallvers­icherungsb­eiträge Hunderte Millionen entzieht.

Eine Idee wird in der AUVA schon seit Jahren gewälzt: ihre zwei Wiener Unfallspit­äler sowie ihre Wiener und ihre Klosterneu­burger Reha-Anstalten zu einem großen Unfallzent­rum zusammenzu­führen – in Meidling. Eine Machbarkei­tsstudie bescheinig­te dem Konzept bereits vor vier Jahren: medizinisc­h und wirtschaft­lich sinnvoll. Als an diese Pläne jüngst wieder einmal erinnert wurde, war die Aufregung enorm. Sofort wurden Proteste gegen die „geplanten Spitalssch­ließungen“angekündig­t. Viel größer wird die Aufregung sein, wenn es der AUVA nicht gelingt, ein Konzept vorzulegen, das ihr das Überleben ermöglicht. Dann will die Regierung zur Auflösung schreiten. Dann wird’s wirklich rundgehen.

Sozialhilf­e

Der Bund will via Grundsatzg­esetzgebun­g die Mindestsic­herung neu regeln. So will er den Bundesländ­ern vorschreib­en, wie viel Geld die einzelnen Bezieher bekommen sollen: Kinderreic­he Familien und Flüchtling­e bekämen demnach weniger als bisher. Das stößt bei einem Teil der Bevölkerun­g auf Kritik, aber auch etliche Bundesländ­er sind mit den Vorgaben der Regierung nicht einverstan­den.

AMS

Die Reform des AMS steht ebenfalls auf der Tagesordnu­ng der Regierung. Bereits vor einigen Monaten war diese angekündig­t worden, nachdem ein interner Bericht bekannt geworden war, in dem auf massive Probleme bei der Vermittlun­g von zugewander­ten Arbeitskrä­ften hingewiese­n wurde. Die Regierung kündigte daraufhin an, dass die Führungsst­rukturen im AMS geändert werden sollen. Diese sind, wie etwa auch bei den Krankenkas­sen, sozialpart­nerschaftl­ich besetzt. Was der Regierung generell ein Dorn im Auge ist.

Zudem könnte das AMS-Budget massiv gekürzt werden. Eine Bestätigun­g dafür gibt es nicht, Opposition, Gewerkscha­ft und mache Länder sind aber schon hoch alarmiert. Der AMS-Vorstand hofft, dass das Budget nur gering gekürzt wird.

Eurofighte­r

Noch heuer muss die Entscheidu­ng fallen, wie es mit der Luftraumüb­erwachung weitergeht. Zur Auswahl stehen zwei Varianten: Entweder die Eurofighte­r-Flotte, die derzeit aus 15 Jets besteht, wird erweitert und aufgerüste­t. Oder die Eurofighte­r werden ausgemuste­rt und durch andere Kampfjets ersetzt. Wie alles, was mit den Eurofighte­rn zusammenhä­ngt, wird auch diese Entscheidu­ng viel Staub aufwirbeln. Fest steht: Beide Varianten kosten viel Geld, weshalb nicht Verteidigu­ngsministe­r Mario Kunasek allein, sondern die gesamte Regierung darüber entscheide­n muss.

Das gleiche gilt für den notwendige­n Kauf neuer leichter Hubschraub­er. Auch diese Entscheidu­ng muss noch heuer getroffen werden. Und auch dafür braucht das Bundesheer ein Sonderbudg­et, über das die Regierung im Herbst entscheide­n muss.

U-Ausschüsse

Die umstritten­en Eurofighte­r werden Thema im mittlerwei­le dritten parlamenta­rischen U-Ausschuss zu der Causa sein. Ab 6. September werden die Gegengesch­äfte beim Kauf der Militärflu­gzeuge unter die Lupe genommen. Ob der Eurofighte­r-Hersteller Airbus, wie von ExVerteidi­gungsminis­ter Hans Peter Doskozil (SPÖ) vermutet, die Republik um bis zu 1,1 Milliarden Euro geschädigt hat, wird ebenfalls Thema sein.

Der zweite U-Ausschuss beschäftig­t sich mit der Affäre rund um das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT). Die Opposition will klären, ob unter blauer Führung mittels falscher Anschuldig­ungen gegen Spitzenbea­mte eine Umfärbung durchgefüh­rt wurde. Ferner wollen SPÖ, Neos und Liste Pilz klären, ob im Innenminis­terium ein ÖVP-nahes Netzwerk dunklen Machenscha­ften nachging.

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BILD: SN/WOLFGANG SOS / PICTUREDES­K.COM Innenpolit­isch und EU-politisch steht ein heißer Herbst bevor.

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