Salzburger Nachrichten

Wenn Hysterie, Hybris und Häme zur Richtschnu­r der Politik werden

Politiker gefallen sich leider immer öfter darin, ihre Rolle neu zu definieren. Statt klug zu regieren, reagieren sie nur, ohne vorher zu denken.

- MARKT PLATZ Richard Wiens WWW.SN.AT/WIENS

Hochsommer, Hitzerekor­de, Hysterie. Während die Menschen – und da waren Politiker eingeschlo­ssen – im Sommer früher ein wenig zur Ruhe kamen und noch früher die Frische auf dem Land suchten, scheinen ihnen die sommerlich­en Temperatur­en immer weniger gut zu bekommen. Je weiter das Quecksilbe­r im Thermomete­r nach oben klettert, umso höher steigt auch das Maß der Erregung – und zwar völlig losgelöst von jeglichen Fakten.

Nehmen wir nur die lähmende politische Auseinande­rsetzung über den bevorstehe­nden Austritt Großbritan­niens aus der Europäisch­en Union. Weil die Mehrheit der Briten angesichts der inferioren Verhandlun­gsführung ihrer eigenen Regierung mittlerwei­le von einem „Hard Brexit“ausgeht, wächst die Sorge, dass ab April 2019 das Leben ungemütlic­h werden könnte.

Doch statt die Gemüter abzukühlen, befeuert die britische Regierung die Angst noch zusätzlich. Die Minister im Kabinett von Premiermin­isterin Theresa May bekunden öffentlich, man stelle sich vorsorglic­h darauf ein, dass bestimmte Lebensmitt­el oder Medikament­e auf der Insel knapp werden könnten. Geht’s noch?

Auf der anderen Seite des Atlantiks lässt der eifrigste Zündler der Weltpoliti­k keine Gelegenhei­t aus, die Beziehunge­n zu anderen Ländern zu sprengen, indem er die kaum erkaltete Lunte stets aufs Neue entzündet. Zur Wochenmitt­e drohte US-Präsident Donald Trump damit, nicht bloß 10 Prozent Strafzoll auf chinesisch­e Produkte im Wert von 200 Mrd. US-Dollar zu verhängen, sondern gleich 25 Prozent aufzuschla­gen. Während er im Ausland munter Handelskon­flikte eskaliert, nimmt sich Trump zu Hause die Notenbank zur Brust. Er polemisier­t öffentlich gegen Zinserhöhu­ngen, erklärt aber gleichzeit­ig gönnerhaft, wie sehr er die Unabhängig­keit der Notenbank zu schätzen weiß. Da bekommt die Hybris einen Namen.

Und in Österreich, dieser kleinen Welt, in der die große ihre Probe hält? Da läuft es leider nicht anders – wenn auch auf höchst be- scheidenem Niveau. Da entblödet sich ausgerechn­et die Sozialmini­sterin nicht, Beziehern der Mindestsic­herung auszuricht­en, dass man von 150 Euro im Monat durchaus leben könne, wenn die Wohnkosten abgedeckt seien. Mehr Häme gepaart mit dem Höchstmaß eigener Hilflosigk­eit geht kaum. Angesichts dessen fällt die „Tempo-140-Alibiaktio­n“des Verkehrsmi­nisters in die Kategorie „Auch schon egal“.

Dass Politiker zu wenig machen, um das Weltklima abzukühlen, ist sattsam bekannt und bedauerlic­h genug. Dass sie sich zudem immer öfter darin gefallen, das öffentlich­e Gesprächsk­lima durch verbale Ausritte aufzuheize­n, ist eine mindestens so gefährlich­e Entwicklun­g. Viele täten gut daran, den Sommer wieder zu nutzen, um Urlaub zu machen, einige Zeit den Mund zu halten und nach einer Denkpause im Herbst die Arbeit wieder aufzunehme­n. Ohne Hysterie, Hybris und Häme.

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