Wenn Hysterie, Hybris und Häme zur Richtschnur der Politik werden
Politiker gefallen sich leider immer öfter darin, ihre Rolle neu zu definieren. Statt klug zu regieren, reagieren sie nur, ohne vorher zu denken.
Hochsommer, Hitzerekorde, Hysterie. Während die Menschen – und da waren Politiker eingeschlossen – im Sommer früher ein wenig zur Ruhe kamen und noch früher die Frische auf dem Land suchten, scheinen ihnen die sommerlichen Temperaturen immer weniger gut zu bekommen. Je weiter das Quecksilber im Thermometer nach oben klettert, umso höher steigt auch das Maß der Erregung – und zwar völlig losgelöst von jeglichen Fakten.
Nehmen wir nur die lähmende politische Auseinandersetzung über den bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der Europäischen Union. Weil die Mehrheit der Briten angesichts der inferioren Verhandlungsführung ihrer eigenen Regierung mittlerweile von einem „Hard Brexit“ausgeht, wächst die Sorge, dass ab April 2019 das Leben ungemütlich werden könnte.
Doch statt die Gemüter abzukühlen, befeuert die britische Regierung die Angst noch zusätzlich. Die Minister im Kabinett von Premierministerin Theresa May bekunden öffentlich, man stelle sich vorsorglich darauf ein, dass bestimmte Lebensmittel oder Medikamente auf der Insel knapp werden könnten. Geht’s noch?
Auf der anderen Seite des Atlantiks lässt der eifrigste Zündler der Weltpolitik keine Gelegenheit aus, die Beziehungen zu anderen Ländern zu sprengen, indem er die kaum erkaltete Lunte stets aufs Neue entzündet. Zur Wochenmitte drohte US-Präsident Donald Trump damit, nicht bloß 10 Prozent Strafzoll auf chinesische Produkte im Wert von 200 Mrd. US-Dollar zu verhängen, sondern gleich 25 Prozent aufzuschlagen. Während er im Ausland munter Handelskonflikte eskaliert, nimmt sich Trump zu Hause die Notenbank zur Brust. Er polemisiert öffentlich gegen Zinserhöhungen, erklärt aber gleichzeitig gönnerhaft, wie sehr er die Unabhängigkeit der Notenbank zu schätzen weiß. Da bekommt die Hybris einen Namen.
Und in Österreich, dieser kleinen Welt, in der die große ihre Probe hält? Da läuft es leider nicht anders – wenn auch auf höchst be- scheidenem Niveau. Da entblödet sich ausgerechnet die Sozialministerin nicht, Beziehern der Mindestsicherung auszurichten, dass man von 150 Euro im Monat durchaus leben könne, wenn die Wohnkosten abgedeckt seien. Mehr Häme gepaart mit dem Höchstmaß eigener Hilflosigkeit geht kaum. Angesichts dessen fällt die „Tempo-140-Alibiaktion“des Verkehrsministers in die Kategorie „Auch schon egal“.
Dass Politiker zu wenig machen, um das Weltklima abzukühlen, ist sattsam bekannt und bedauerlich genug. Dass sie sich zudem immer öfter darin gefallen, das öffentliche Gesprächsklima durch verbale Ausritte aufzuheizen, ist eine mindestens so gefährliche Entwicklung. Viele täten gut daran, den Sommer wieder zu nutzen, um Urlaub zu machen, einige Zeit den Mund zu halten und nach einer Denkpause im Herbst die Arbeit wieder aufzunehmen. Ohne Hysterie, Hybris und Häme.