Salzburger Nachrichten

Diese Strafe ist ein Armutszeug­nis

Abgeordnet­en, die bei Abstimmung­en im Parlament fehlen, drohen Sanktionen. Traurig, dass es so weit gekommen ist.

- ALFRED.PFEIFFENBE­RGER@SN.AT Alfred Pfeiffenbe­rger

Es sind Bilder, die die Wählerinne­n und Wähler immer wieder aufregen: leere Plätze während der Sitzungen des Nationalra­ts, Abgeordnet­e, die, anstatt der Rednerin oder dem Redner zuzuhören, Zeitung lesen oder auf ihr Handy starren. Abgeordnet­e, die anscheinen­d ihren Beruf nicht ernst nehmen, obwohl sie dafür gut bezahlt werden – jedenfalls im Vergleich zum Großteil der Menschen, die sie vertreten.

Eigentlich sollte es eine Selbstvers­tändlichke­it sein, dass Politikeri­nnen und Politiker an Abstimmung­en, von denen jede diese Republik verändert, teilnehmen. Aus Respekt vor den Wählerinne­n und Wählern, aus Respekt vor dem Parlament, das das Herzstück unserer Demokratie ist, und vor allem aus Respekt vor sich selbst. Immerhin sind sie Mitglieder einer gesetzgebe­nden Körperscha­ft und nicht irgendeine­s Stammtisch­s, an dem ein wenig politisier­t wird. Und da zählt die Ausrede nichts, dass es während eines Sitzungsta­gs noch vieles andere zu tun gibt. Es kommt, wie meist im Leben, schlicht und einfach darauf an, welche Prioritäte­n man setzt.

Keine Frage: Der Vorstoß aus der ÖVP, dass Abgeordnet­e, die den Abstimmung­en fernbleibe­n, künftig Strafe zahlen müssen, wird auf wenig Widerstand stoßen. Er ist umsetzbar, da FPÖ und SPÖ gesprächsb­ereit sind. Rechtlich ist das kein Problem, es müsste nur die Geschäftso­rdnung des Nationalra­ts geändert werden. Dort heißt es so schön: „Die 183 Abgeordnet­en zum Nationalra­t sind zur Teilnahme an den Sitzungen des Nationalra­ts und der Ausschüsse, denen sie angehören, verpflicht­et.“

Trotzdem bleibt bei dem Vorschlag ein schaler Nachgeschm­ack. Zum einen, weil über andere Probleme des Parlaments nicht geredet wird, etwa den Klubzwang. Dass also Abgeordnet­e so abstimmen müssen, wie es ihnen ihre Partei vorschreib­t, und so das freie Mandat, das in der Bundesverf­assung festgeschr­ieben ist, ausgehebel­t wird.

Zum anderen, weil dieser Vorschlag jetzt kommt. Ausgerechn­et jetzt, da die Regierung wegen der Hinaufsetz­ung der Höchstarbe­itszeit in der Kritik steht, sie mächtig Ärger mit den Sozialvers­icherungen hat und die Sozialmini­sterin erklären muss, wie Leute mit 150 Euro im Monat leben können. Braucht es gerade jetzt ein Thema zum Ablenken? Bei dem umstritten­en Arbeitspro­gramm dieser Regierung werden ÖVP und FPÖ sicher noch öfter auf diesen „Trick“zurückgrei­fen müssen.

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