Kolumbiens Frieden steht auf der Kippe
Der scheidende Präsident bangt um sein Lebenswerk. Sein konservativer Nachfolger hat versprochen, das Abkommen mit den Rebellen wieder zu ändern.
Am Ende bleiben Juan Manuel Santos nicht mehr als fromme Wünsche. „Wir hoffen, dass die nächste Regierung den Friedensprozess fortsetzt“, sagt der scheidende kolumbianische Präsident und Friedensnobelpreisträger. „Noch nie waren wir so weit wie heute.“Vor knapp zwei Jahren hatte er den historischen Friedensvertrag mit den FARC-Rebellen unterzeichnet und damit den seit einem halben Jahrhundert tobenden Bürgerkrieg mit 220.000 Toten und Millionen Vertriebenen beendet. Mit der kleineren Guerillagruppe ELN dauern die Gespräche noch an.
Wenn allerdings Santos’ Nachfolger Iván Duque morgen, Dienstag, die Amtsgeschäfte übernimmt, könnte schon bald ein anderer Wind wehen. Der konservative Politiker hat angekündigt, den Friedensvertrag zu ändern. Doch selbst kleine Modifikationen an dem über Jahre ausgehandelten Abkommen könnten den noch immer fragilen Friedensprozess gefährden. Sie könnten die Bemühungen der ExKämpfer, „ins zivile Leben zurückzukehren, untergraben oder sie sogar in die Arme abtrünniger FARCEinheiten oder krimineller Banden treiben“, schreibt das Forschungsinstitut International Crisis Group in einer Analyse. Allerdings spricht Duque mit seiner Kritik an dem im Ausland gefeierten, in Kolumbien aber sehr umstrittenen Abkommen vielen Menschen aus der Seele. Ihnen sind die relativ milden Strafen für die Kämpfer und ihr direkter Durchmarsch ins Parlament ein Dorn im Auge. „Wir werden den Vertrag nicht in Stücke reißen, aber wir werden sicherstellen, dass der Frieden allen Kolumbianern zugutekommt“, sagte Duque nach seinem Wahlsieg. Eine wirklich umfassende Reform des Abkommens ist schon aus rechtlichen Gründen unmöglich. „Das größte Risiko ist, dass der Vertrag einen Tod der tausend Stiche stirbt – über Mittelkürzungen oder andere Hürden“, sagt Vanda Felbab-Brown vom Forschungsinstitut Brookings Institution. Die Sicherheitslage hat sich zwar deutlich verbessert, doch noch immer treiben zahlreiche bewaffnete Banden ihr Unwesen. Drogenhandel, Schutzgelderpressung und illegaler Bergbau versprechen riesige Gewinne. Sollten ihnen bei der Rückkehr ins Zivilleben nun Steine in den Weg gelegt werden, könnte ein Leben im Untergrund vielen Guerilleros wieder äußerst attraktiv erscheinen. Der starke Mann hinter Duque ist der rechtsgerichtete ExPräsident Álvaro Uribe. Die große Frage sei nun, ob sich Duque emanzipieren könne, sagt die Politikwissenschafterin Fabiola Calvo Ocampo. Nach Jahren des erbitterten Streits um den Friedensprozess und dem polarisierenden Wahlkampf muss Duque das gespaltene Land einen. Zudem erwarten die Kolumbianer Antworten auf die Probleme des Alltags. „Die Menschen sorgen sich um das Gesundheitswesen, prekäre Beschäftigungsverhältnisse, steigende Steuern und niedrige Gehälter“, sagt Calvo.