Salvini steckt in einer Klemme
Der neue starke Mann in Italien wird von einem Krimi eingeholt. Er beginnt in Zeiten, als der Chef Umberto Bossi hieß und die Partei bei vier Prozent lag.
In Italien erlebt die rechtsextreme Lega einen Boom. Parteichef und Innenminister Matteo Salvini gibt den Takt vor. Regierungschef Giuseppe Conte ist ebenso wie der Koalitionspartner Fünf Sterne nur Beiwerk. Doch Salvini, der sich gern als Saubermann gibt, hat ein Problem: 49 Millionen Euro.
Diese Summe muss die Lega der Republik Italien zurückzahlen. So will es der Oberste Gerichtshof in Rom. Die Parteikonten müssten gesperrt werden. Die Staatsanwaltschaft möge sich das Geld holen, „wo und bei wem auch immer“es liegt – eine Formulierung, die vermuten lässt, dass die Richter davon ausgehen, dass der Schatz noch vorhanden ist.
Salvinis Nöte wurzeln in der Vergangenheit; in einer Zeit, als der Chef Umberto Bossi hieß und die Partei Lega Nord. Es war eine regionale Truppe, die den Süden verachtete und den reichen Norden am liebsten abspalten wollte. Matteo Salvini war längst schon mit an Bord. Seit seinem 17. Lebensjahr hat sich der Mailänder bei der Partei engagiert. Er war Parteisekretär in Mailand und Abgeordneter in Rom. Gerade vier Prozent erreichte die Lega Nord bei der Parlamentswahl vor fünf Jahren.
Am 4. März 2018, das „Nord“war aus dem Namen gestrichen, Bossi längst entmachtet, Salvini an der Spitze, erreichte die Truppe 17,4 Prozent. Dass das nur knapp mehr als die Hälfte an Stimmen war, die die Fünf-Sterne-Bewegung eingefahren hat, hätte die Lega eigentlich zum Juniorpartner in der neuen Koalition bestimmt. Mittlerweile liegt Salvini, der neue starke Mann Italien, in Umfragen bei 30 Prozent und Kopf an Kopf mit den Fünf Sternen.
Da kommen die Leichen im Keller nun doch etwas ungelegen. 2013 öffneten Ermittler den Safe von Francesco Belsito, Schatzmeister der Lega. Sie fanden einen Ordner mit der Aufschrift „Family“. Fein säuberlich stand aufgelistet, wie sich die Familie Bossi, bestehend aus Umberto und Ehefrau Manuela sowie den vier Söhnen, aus der Parteikasse bedient hatte. Sie nutzten sie wie einen Bankomaten, hieß es. Gefüllt war er mit Steuergeld, vorwiegend Entschädigungen für Wahlkampagnen. 49 Millionen standen im relevanten Zeitraum von 2008 bis 2010 zur Verfügung. Haussanierung, Schönheitsoperation, ein 48.000 Euro teurer Audi A6 für Sohn Renzo, Strafzettel – alles wurde beglichen. Belsito investierte zudem kräftig, unter anderem in Fremdwährungen. In der Partei wussten alle Bescheid. Der Senior, Sohn Renzo und Schatzmeister Belsito kassierten in den folgenden Strafverfahren Haftstrafen.
Auf den Konten aber fanden sich nur noch zwei Millionen Euro. So viel hatten die Bossis nun wieder nicht verjubelt. Doch wo ist der Rest? Die Justiz will nun klären, ob die Lega dann schon unter Führung Salvinis Geld zur Seite geschafft hat. Angeblich gibt es Spuren in die Schweiz und nach Luxemburg.
Matteo Salvini sieht sich als Opfer „roter Richter“. Er tritt mindestens so oft im Fernsehen auf wie Silvio Berlusconi in seinen Glanzzeiten, bedient das Publikum aber auch permanent über die sozialen Medien. Schon Berlusconi hatte die ausgeprägte Neigung, die vielen Strafverfahren gegen ihn als politisch motiviert umzuinterpretieren. Salvini wandte sich mit der Bitte um Hilfe gleich an Staatspräsident Sergio Mattarella. Der Ex-Verfassungsrichter Mattarella aber antwortete kühl, er habe „weder die Kompetenz noch die Absicht“, sich einzumischen.
Mit einer Anzeige gegen AltSchatzmeister Belsito versuchte Salvini, den Skandal von sich wegzulenken. Gleichzeitig verschärft er in seinem Feldzug gegen Migranten, Hilfsorganisationen, Sinti und Roma und Linksintellektuelle Tag für Tag den Ton. Als er beim Staatspräsidenten war, hat dieser ihn gebeten, die Tonlage zu mäßigen. Salvini gab sich überraschend geknickt. Das aber hat nur kurz angehalten, ganz kurz.