Hilfsorganisationen warnen vor Cholera-Epidemie im Jemen
Saudi-Arabien dementiert verheerende Luftangriffe auf eine Trinkwasseranlage.
Selten war der Aufschrei der im Jemen arbeitenden internationalen Hilfsorganisationen so groß wie Ende vergangener Woche. Kampfflugzeuge der von Saudi-Arabien dominierten „Koalition“hatten bei zwei massiven Luftangriffen mehrere Lagerhäuser mit Lebensmitteln und Chemikalien zur Wasseraufbereitung sowie eine Trinkwasseranlage in der seit sechs Wochen belagerten jemenitischen Hafenstadt Hodeida angegriffen. Fast 30 Zivilisten kamen ums Leben.
Es seien Angriffe auf „Systeme und Einrichtungen“gewesen, die „wesentlich für die Versorgung der notleidenden Zivilbevölkerung sind“, so empörte sich das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen (UNICEF). Das UNO-Büro für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten (OCHA) betonte, da sowohl die Kämpfe am Boden als auch die Luftangriffe die Trinkwasserversorgung und die Hygiene stark beeinträchtigten, müsse mit einer erneuten Ausbreitung der Cholera in dem Bürgerkriegsland gerechnet werden. „Nur noch ein Luftangriff und der Jemen könnte vor einer nicht mehr aufzuhaltenden Epidemie stehen“, warnte die OCHA-Beauftragte Lisa Grande in einem Radiointerview. Beim bisher größten Cholera-Ausbruch der modernen Geschichte im Jemen hatten sich im vergangenen Jahr eine Million Menschen mit der gefährlichen Durchfallerkrankung angesteckt. 2227 Menschen fielen nach Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation der Seuche zum Opfer.
Bereits vor den verheerenden Luftangriffen der auch von den USA, Großbritannien und Frankreich unterstützten Koalition hatte die Sprecherin der Hilfsorganisation „Save the Children Deutschland“, Susanna Krüger, vor einer neuen Cholera-Epidemie gewarnt. „Für die ausgemergelten Menschen, die weniger Widerstandskräfte haben, wird die Situation immer schwieriger“, betonte sie. Besonders anfällig für die Durchfallerkrankung seien Kinder. Täglich würden die lokalen Mitarbeiter der Hilfsorganisation Kinder und Säuglinge sehen, die kurz vor dem Tod stünden. Bei ihren seit mehr als drei Jahren andauernden Luftangriffen habe die saudische Koalition alle wichtigen Strukturen im Jemen „systematisch zerstört“, sagte Krüger weiter.
Ein Sprecher der Militärallianz hat die von mehreren internationalen Hilfsorganisationen sowie von der UNO bestätigten Luftangriffe auf Hodeida inzwischen dementiert. „Wir haben zur fraglichen Zeit keine Angriffe geflogen“, sagte der saudische Oberst Turko al Malki dem Fernsehsender Al-Arabija. Verantwortlich für die Zerstörung, behauptete er, seien die Huthi-Milizen. Die aber besitzen keine Flugzeuge. Bei ihrer Kriegsführung im Jemen, so Malki, halte sich die Koalition strikt an das internationale Recht. Die meisten Beobachter in dem südarabischen Land bestreiten dies allerdings energisch. Allerdings seien auch die vom Iran gestützten Huthi für Kriegsverbrechen im Jemen verantwortlich. Die mit dem Iran sympathisierende Miliz werde von einem Teil der Einwohner von Hodeida als „Besatzungsmacht“empfunden.
Der UNO-Sondergesandte Martin Griffiths kündigte indessen am vergangenen Donnerstag wieder Friedensgespräche an, die ersten seit zwei Jahren. Er wolle die Konfliktparteien zum 6. September nach Genf einladen. Die letzte Gesprächsrunde gab es 2016 in Kuwait.
„Saudi-Allianz hat die Strukturen im Jemen systematisch zerstört.“