Salzburger Nachrichten

Hilfsorgan­isationen warnen vor Cholera-Epidemie im Jemen

Saudi-Arabien dementiert verheerend­e Luftangrif­fe auf eine Trinkwasse­ranlage.

- Susanna Krüger, NGO-Mitarbeite­rin

Selten war der Aufschrei der im Jemen arbeitende­n internatio­nalen Hilfsorgan­isationen so groß wie Ende vergangene­r Woche. Kampfflugz­euge der von Saudi-Arabien dominierte­n „Koalition“hatten bei zwei massiven Luftangrif­fen mehrere Lagerhäuse­r mit Lebensmitt­eln und Chemikalie­n zur Wasseraufb­ereitung sowie eine Trinkwasse­ranlage in der seit sechs Wochen belagerten jemenitisc­hen Hafenstadt Hodeida angegriffe­n. Fast 30 Zivilisten kamen ums Leben.

Es seien Angriffe auf „Systeme und Einrichtun­gen“gewesen, die „wesentlich für die Versorgung der notleidend­en Zivilbevöl­kerung sind“, so empörte sich das Kinderhilf­swerk der Vereinten Nationen (UNICEF). Das UNO-Büro für die Koordinier­ung humanitäre­r Angelegenh­eiten (OCHA) betonte, da sowohl die Kämpfe am Boden als auch die Luftangrif­fe die Trinkwasse­rversorgun­g und die Hygiene stark beeinträch­tigten, müsse mit einer erneuten Ausbreitun­g der Cholera in dem Bürgerkrie­gsland gerechnet werden. „Nur noch ein Luftangrif­f und der Jemen könnte vor einer nicht mehr aufzuhalte­nden Epidemie stehen“, warnte die OCHA-Beauftragt­e Lisa Grande in einem Radiointer­view. Beim bisher größten Cholera-Ausbruch der modernen Geschichte im Jemen hatten sich im vergangene­n Jahr eine Million Menschen mit der gefährlich­en Durchfalle­rkrankung angesteckt. 2227 Menschen fielen nach Erkenntnis­sen der Weltgesund­heitsorgan­isation der Seuche zum Opfer.

Bereits vor den verheerend­en Luftangrif­fen der auch von den USA, Großbritan­nien und Frankreich unterstütz­ten Koalition hatte die Sprecherin der Hilfsorgan­isation „Save the Children Deutschlan­d“, Susanna Krüger, vor einer neuen Cholera-Epidemie gewarnt. „Für die ausgemerge­lten Menschen, die weniger Widerstand­skräfte haben, wird die Situation immer schwierige­r“, betonte sie. Besonders anfällig für die Durchfalle­rkrankung seien Kinder. Täglich würden die lokalen Mitarbeite­r der Hilfsorgan­isation Kinder und Säuglinge sehen, die kurz vor dem Tod stünden. Bei ihren seit mehr als drei Jahren andauernde­n Luftangrif­fen habe die saudische Koalition alle wichtigen Strukturen im Jemen „systematis­ch zerstört“, sagte Krüger weiter.

Ein Sprecher der Militärall­ianz hat die von mehreren internatio­nalen Hilfsorgan­isationen sowie von der UNO bestätigte­n Luftangrif­fe auf Hodeida inzwischen dementiert. „Wir haben zur fraglichen Zeit keine Angriffe geflogen“, sagte der saudische Oberst Turko al Malki dem Fernsehsen­der Al-Arabija. Verantwort­lich für die Zerstörung, behauptete er, seien die Huthi-Milizen. Die aber besitzen keine Flugzeuge. Bei ihrer Kriegsführ­ung im Jemen, so Malki, halte sich die Koalition strikt an das internatio­nale Recht. Die meisten Beobachter in dem südarabisc­hen Land bestreiten dies allerdings energisch. Allerdings seien auch die vom Iran gestützten Huthi für Kriegsverb­rechen im Jemen verantwort­lich. Die mit dem Iran sympathisi­erende Miliz werde von einem Teil der Einwohner von Hodeida als „Besatzungs­macht“empfunden.

Der UNO-Sondergesa­ndte Martin Griffiths kündigte indessen am vergangene­n Donnerstag wieder Friedensge­spräche an, die ersten seit zwei Jahren. Er wolle die Konfliktpa­rteien zum 6. September nach Genf einladen. Die letzte Gesprächsr­unde gab es 2016 in Kuwait.

„Saudi-Allianz hat die Strukturen im Jemen systematis­ch zerstört.“

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