Bachs Cellosuiten beginnen irritierend scheu
Es war der große Pablo Casals, der die Bach’schen Cellosuiten für die Musikwelt rettete. Für ihn waren sie die „Quintessenz von Bachs Schaffen“. Das mag übertrieben sein, aber die Richtung des Arguments stimmt. Doch wie viele Möglichkeiten gibt es, zu spielen? Sie zuerst zu denken und dann zu spielen? An nichts kann man sich halten. Es gibt keine Tempoangaben, nur allgemeine, meist auf Tänze verweisende Spielangaben.
Wie jede Zeit ihren Bach hat, so hat sie ihre Suiten, manchmal flockiger, manchmal grantiger. Keiner der großen Cellisten kann an ihnen vorbeigehen. Keiner wagt sich über sie, ohne überlegt zu haben, wie sich diese sechs Werke zu einem Ganzen zusammenfügen.
Jean-Guihen Queyras gehört einer Generation von Musikern an, die man getrost dem 21. Jahrhundert zurechnen kann. Wer die alten europäischen und russischen Cellisten im Ohr hat, wird im Solistenkonzert am Freitagabend in der Kollegienkirche zunächst von der fast scheuen und so gar nicht brillanten oder gar zupackenden Umkreisung der ersten Suiten irritiert sein.
Erst in den letzten Suiten lüftet sich der Schleier: Das Spiel verdichtet sich, spitzt sich zu, wird drängender und erreicht schließlich in der finalen Gigue der letzten Suite einen geradezu auftrumpfenden Höhepunkt, und zwar nicht als oberflächliche Apotheose, sondern in einem gleichsam natürlichen, logischen Verfahren.