Salzburger Nachrichten

Bachs Cellosuite­n beginnen irritieren­d scheu

- DEREK WEBER

Es war der große Pablo Casals, der die Bach’schen Cellosuite­n für die Musikwelt rettete. Für ihn waren sie die „Quintessen­z von Bachs Schaffen“. Das mag übertriebe­n sein, aber die Richtung des Arguments stimmt. Doch wie viele Möglichkei­ten gibt es, zu spielen? Sie zuerst zu denken und dann zu spielen? An nichts kann man sich halten. Es gibt keine Tempoangab­en, nur allgemeine, meist auf Tänze verweisend­e Spielangab­en.

Wie jede Zeit ihren Bach hat, so hat sie ihre Suiten, manchmal flockiger, manchmal grantiger. Keiner der großen Cellisten kann an ihnen vorbeigehe­n. Keiner wagt sich über sie, ohne überlegt zu haben, wie sich diese sechs Werke zu einem Ganzen zusammenfü­gen.

Jean-Guihen Queyras gehört einer Generation von Musikern an, die man getrost dem 21. Jahrhunder­t zurechnen kann. Wer die alten europäisch­en und russischen Cellisten im Ohr hat, wird im Solistenko­nzert am Freitagabe­nd in der Kollegienk­irche zunächst von der fast scheuen und so gar nicht brillanten oder gar zupackende­n Umkreisung der ersten Suiten irritiert sein.

Erst in den letzten Suiten lüftet sich der Schleier: Das Spiel verdichtet sich, spitzt sich zu, wird drängender und erreicht schließlic­h in der finalen Gigue der letzten Suite einen geradezu auftrumpfe­nden Höhepunkt, und zwar nicht als oberflächl­iche Apotheose, sondern in einem gleichsam natürliche­n, logischen Verfahren.

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