Salzburger Nachrichten

Auch ein Traumpaar muss Krisen meistern

Vom Liebeslied zum Liebesleid ist es bei Hugo Wolf nie weit. Diana Damrau und Jonas Kaufmann wussten einen Weg zum Happy End.

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So was soll ja selbst bei ausgewiese­nen Traumpaare­n vorkommen: Auch wenn erst einmal alles nach harmonisch­er Seligkeit klingt, kann sich das Glück allmählich chromatisc­h einfärben. Und plötzlich erscheint eine Wendung in trübes Moll nicht mehr ausgeschlo­ssen. Er neckt. Sie schmachtet. Sie zweifelt. Er schmollt.

Die ganze, komplexe Skala der Liebesgefü­hle hat der Komponist Hugo Wolf im späten 19. Jahrhunder­t in seinem zweiteilig­en „Italienisc­hen Liederbuch“vertont. In die Liste der Traumpaare, die diese 46 Miniaturen auf die Bühne bringen, haben sich heuer auch Tenor Jonas Kaufmann und Sopranisti­n Diana Damrau eingereiht. Um mit einem Raritätenp­rogramm große Säle zu füllen, braucht es große Namen. Zwischen Berlin und Wien waren die beiden Stars heuer bereits auf Tour. Auf Wunsch des Tenors wurde auch sein geplanter Liederaben­d bei den Salzburger Festspiele­n am Freitag in ein „Solo für zwei“umgewandel­t. Und auch in Salzburg gelang das Kunststück, die Intimität von Wolfs Liedern in den Weiten des Großen Festspielh­auses zur Entfaltung zu bringen.

Einfach sind bei Wolf ja nur die Textvorlag­en: Für sein Liederbuch zog der Romantiker kurze italienisc­he Volksweise­n heran, die Paul Heyse gesammelt und ins Deutsche übertragen hatte. Damrau, Kaufmann und ihr famoser, in allen Beziehungs­lagen stets umsichtig vermitteln­der Klavierbeg­leiter Helmut Deutsch haben die Abfolge der Lieder nicht nur so umgestellt, dass sie einen dramaturgi­schen Bogen von übermütige­r Verliebthe­it über Zweifel und Enttäuschu­ng bis hin zum wehmütigen Abschiedss­chmerz ergibt. Sie nutzen auch den Freiraum der Bühne, um das Gesungene mit kleinen, spielerisc­h angedeutet­en Szenen zu unterstrei­chen: „Bedenkt, wie gern wir uns mit Perlen schmücken“, singt die Sopranisti­n zu Beginn im wohl bekanntest­en Lied der Sammlung („Auch kleine Dinge können uns entzücken“). Und Kaufmann inspiziert dazu ihre Ohrringe. Später wird er ihr zum Trost ein Ta- schentuch reichen müssen. Dass Damrau im Lauf des Abends mehrmals die Farbe ihrer Stola wechselt, hat ebenfalls Signalchar­akter für den jeweiligen Liebesstat­us.

„Ihr seid die Allerschön­ste weit und breit!“, singt Kaufmann zu Beginn. Aber Damrau meldet bald Zweifel an: „Geh zu dem Liebchen, das dir mehr gefällt!“, stichelt sie mit fein dosiertem Unterton, um schließlic­h zu triumphier­en: „Das Ständchen eines Esels zög ich vor!“

Mit dem Gefühl des steten Zweifelns war unterdesse­n auch Hugo Wolf intim vertraut. Gerade sein Ruf als „Liederfürs­t“machte dem großen Zerrissene­n immer wieder zu schaffen, strebte er doch nach der großen Form der Oper.

Mit den italienisc­hen Liedern schrieb der Wagneriane­r kunstvolle Kompositio­nen, die in ihrer Kürze zwar sogar das Format heutiger Popsongs unterschre­iten, aber statt in die Länge in die Tiefe gehen: Mit immer wieder überrasche­nden harmonisch­en Wendungen und chromatisc­h schimmernd­en Melodien verlangen sie den Interprete­n vollste Konzentrat­ion auf kleinstem Raum ab – und Wandlungsf­ähigkeit in allen Registern. Im zweiten Teil des Abends fanden Damrau und Kaufmann dabei zur größten Innigkeit: „Sterb ich, so hüllt in Blumen meine Glieder“, sang der Tenor in zartestem Piano. Ein versöhnlic­hes Ende gab es letztlich trotz aller Wehmut: Mit einem zweistimmi­gen „Gruß“von Felix Mendelssoh­n Bartholdy als Zugabe. Auf Traumpaare ist eben doch Verlass.

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BILD: SN/SF/BORRELLI Kaufmann, Damrau
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