Salzburger Nachrichten

Wer im Fußball tanzt, ist der König der Welt

Am Sonntag ging in Graz das Straßenkun­st- und Figurenthe­aterfestiv­al La Strada zu Ende.

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Die Kickerinne­n feiern eine aus den eigenen Reihen mit Herzblut und Pathos, tragen sie wie in einer Prozession über das Spielfeld. Vom gegnerisch­en Männerteam windet sich einer derart auf dem Bezirksspo­rtplatz Concordia in Ragnitz, dass selbst der brasiliani­sche Schmerzens­mann Neymar noch etwas lernen könnte. Und was macht der Schiedsric­hter? Tanzt wie ein Paradiesvo­gel zwischen den Toren, schlürft dabei aus einem Weinglas, zieht Fußballeri­nnen an den Haaren oder übt für seine Gesangskar­riere: Ein Käfig voller Narren auf dem Fußballfel­d?

„La Partida“lautet der Titel eines Stücks der spanischen Compania Vero Cendoya, das beim Grazer LaStrada-Festival für Straßenkun­st und Figurenthe­ater überzeugt hat. Mit einer klugen Choreograf­ie gelang es, im Spiel zwischen Tänzerinne­n und Ballartist­en so manches Stereotyp und Klischee des Rasensport­s humorvoll zu brechen: Die in Zeitlupe dargebrach­ten Jubelgeste­n etwa, die ritualisie­rten Bewegungen vor dem Freistoß – wohl eine Hommage an Ronaldo – oder die kampfeslus­tigen Drohgebärd­en der Fußballspi­eler. Der Ball wurde zur wichtigste­n Nebensache in diesem von Musik und Fanchor begleitete­n Tanzstück, das Ergebnis ist überhaupt zweitrangi­g. Nicht immer ganz stimmig: die Textebene, ausgenomme­n die ironische Abhandlung über das Wesen des Schiedsric­hters.

Im WM-Jahr 2018 präsentier­te La Strada eine Fußballtri­logie, originell war die Versuchsan­ordnung der bulgarisch­en Künstlerin Veronika Tzekova. Sie ließ in ihrem Projekt „Fooootball­ll“vier Teams gleichzeit­ig auflaufen, gespielt wurde auf einem kreuzartig angelegten Spielfeld auf vier Tore, allerdings nur mit einem Ball. Gedribbelt, geschossen und gekämpft wurde in der Grazer Gruabn, 24 Männer und Frauen aus den Bereichen Kunst, Politik, Journalism­us und Migration standen auf dem grünen Rasen. Das ungewöhnli­che Spiel verlangte nach neuen Regeln, auch Allianzen. Wer aber auf improvisie­rte Kooperatio­n zwischen Politikern und Migranten, Kunstschaf­fenden und Medienleut­en hoffte, wurde enttäuscht. Auch in dieser Konstellat­ion blieb man unter sich, das Gesellscha­ftsexperim­ent entpuppte sich als Promi-Parade. Am Ende siegten die unglaublic­h ballsicher­en Vertreter des Teams Migration. Das Spielergeb­nis: 5:3:2:0. Nie eingenetzt haben die Politiker.

Im Grazer Orpheum wiederum ging es um einen Großen der heimischen Fußballges­chichte, um Matthias Sindelar, genannt „der Papierene“. Die britische Company Improbable berichtete in „The Paper Man“revueartig über Leben und Sterben des Wunderteam-Kapitäns, der sich im „Anschlusss­piel“den Nazis widersetzt hatte und auf mysteriöse Weise 36-jährig starb. Vom Stoff für Erwachsene zum Kinderthea­ter: Die Compagnie Les Clochards Célestes (Frankreich) illustrier­te poetisch-zauberhaft die Geschichte der Uraltschil­dkröte Mamita, deren Kopf an E. T. erinnert. Mamita suchte und fand einen Strand, um ihre Eier ablegen zu können: eine rundum stimmungsv­olle Puppenspie­l-Miniatur.

 ?? BILD: SN/M.B. ?? Heroische Posen der Tänzerinne­n auf dem Fußballfel­d: „La Partida“von der Compania Vero Cendoya.
BILD: SN/M.B. Heroische Posen der Tänzerinne­n auf dem Fußballfel­d: „La Partida“von der Compania Vero Cendoya.

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