Ein Koch, der die Lebensmittel rettet
„Jetzt geht’s ans Eingemachte“: Ein Grazer will sich mit dem Wegwerfen von Obst und Gemüse nicht abfinden und kocht alles ein. So entstehen etwa Aufstriche, Gelees, Kompotte und Knödel.
Dass so viele Lebensmittel weggeworfen werden, hat ihn immer schon gestört. „Entlang der gesamten Wertschöpfungskette gehen uns ein Drittel aller Lebensmittel verloren. Das beginnt schon am Feld und im Garten“, sagt der in Graz geborene Peter Dobnig. Der 31-Jährige will sich mit dem IstZustand nicht abfinden und hat heuer im Mai ein Start-up namens „Aufgegessen.“gegründet. Die Grundidee ist einfach: Dobnig konserviert regionale Überschüsse durch die gute alte Methode des Einkochens und macht so das zu Aufstrichen, Kompotten, Pestos, Marmeladen oder Chutneys verarbeitete Obst und Gemüse für viele Monate haltbar. „Mein Ziel ist es, dass weniger Lebensmittel im Mistkübel oder auf dem Kompost landen“, sagt der von seiner Partnerin Sabine unterstützte Einzelunternehmer.
Allein von den privaten Haushalten landen laut Studien österreichweit 300.000 Tonnen Lebensmittel auf dem Kompost. Oder: Mit dem in der Bundeshauptstadt Wien vernichteten Brot könnte die Bevölkerung von Graz gut versorgt werden. Auf die Brotvergeudung reagiert Peter Dobnig mit einem ganz speziellen Produkt, dem im Glas verkauften „Schwarzbrotknödel“. „Ich verarbeite unverkauftes Brot von Grazer Bäckern. Mit Gemüsefond, Milch, Zwiebeln, Butter, Eiern und Salz entsteht so ein Knödel, der zu vielen Speisen als Beilage passt“, berichtet Dobnig, der ursprünglich Fremdsprachen studieren wollte, durch einen Nebenjob in der Gastronomie aber auf den Geschmack gekommen ist. Er hat die Kochlehre absolviert, hatte einen fixen Job, ehe ihm in der Arbeitslosigkeit die Idee zum Projekt „Aufgegessen.“kam. Die Renaissance des Einkochens schreitet voran, Dobnig veranstaltet ein Mal pro Monat einschlägige Kurse („Jetzt geht’s ans Eingemachte“), da das Wissen der Großelternund Elterngeneration nicht selten verloren gegangen ist. Es sind aber nicht nur mangelnde Kenntnisse, die den Einkauf von Marmelade und Kompott im Supermarkt begünstigen: „In unserem von Stress und Hektik geprägten Alltag haben die Menschen einfach weniger Zeit. In ihrer kärglichen Freizeit wollen viele eben nicht mehr stundenlang in der Küche stehen, Obst entkernen und Gemüse schälen.“
Die Teilnehmer der Kurse gehören der 30-plusGeneration an, am Ende werden die gemeinsam produzierten Speisen und Getränke verkostet. Saft aus Maiwipferlspitzen etwa, Löwenzahnaufstrich – der für Veganer als Honigersatz gilt – oder ein Gelee aus Holunderblüten und Minze. Die Produktpalette von „Aufgegessen.“ist von Regionalität und Saisonalität geprägt, für den kommenden Winter etwa sind Kreationen aus Nüssen, Maroni, Käferbohnen und Erdäpfeln geplant. Peter Dobnig bekommt viele Lebensmittel von Privatpersonen geschenkt, entweder fehlt diesen die Zeit, Kirschen, Zwetschken oder Himbeeren zu ernten, oder sie sind aufgrund höheren Alters dazu nicht mehr in der Lage oder sie weilen, wenn die Früchte reif sind, gerade auf Urlaub. Eingekocht wird dann in der Küche der Waldorfschule Graz, wo Peter Dobnig mitunter auch den Schulkindern drei- oder viergängige Menüs auf den Tisch stellt. Die in Gläser eingefüllten Produkte werden zurzeit in einigen Lebensmittelläden im Raum Graz verkauft, ein monatliches „Aufgegessen.-Schachterl“wird österreichweit per Post verschickt. Mit ähnlichen Projekten in Österreich, etwa „Jamsession“in Graz oder „Unverschwendet“in Wien, stehe er nicht in Konkurrenz, sondern in einem freundschaftlichen Dialog: „Wir sitzen ja alle im gleichen Boot und haben dieselben Ziele. Wir können voneinander lernen und noch mehr Leute von unseren Ideen überzeugen“, sagt Dobnig.
Für all jene, die ihre Ernte aus dem eigenen Garten genießen möchten, hat Dobnig ein Angebot ausgearbeitet: „Ich koche auch für private Haushalte Obst und Gemüse so ein, wie die Leute es am liebsten haben.“Unter dem Motto „Deine eigene Ernte im Glas“sucht er Gärten von Interessierten auf und überlegt sich unterschiedliche Produkte. Dobnig macht dann einen unverbindlichen Kostenvoranschlag und der Kunde kann entscheiden, ob er seine Ernte vom Profi haltbar machen lässt. Zusatzvorteil, wenn der Grazer Koch die Ernte übernimmt: „Der Garten sieht wieder schön sauber aus und auch die Wespenplage bleibt aus.“
Die Lebensmittelverschwendung in unseren Breiten habe, so der Start-up-Gründer, sicher auch damit zu tun, dass alles zu jeder Jahreszeit erhältlich sein muss: „Die Regale in den Supermärkten müssen immer voll sein und die Kunden machen sich viel weniger Gedanken, wo und wie ihr Essen herkommt.“Und: Oft komme hochwertiges Obst und Gemüse gar nicht in den Markt, weil die landwirtschaftlichen Erzeugnisse den äußerlichen Ansprüchen nicht gerecht werden: „Sind die Gurken zu klein, zu krumm oder zu groß, landen sie mitunter auf dem Kompost oder werden wieder im Feld eingeackert.“Dies sei eine unnötige und durch nichts zu begründende Ressourcenvergeudung.
Peter Dobnig kommt vorerst ohne fixe Mitarbeiter aus, sollte das Projekt aber weiter so gut angenommen werden, ist an Expansion gedacht. „Mir macht das Kochen viel Spaß, aber Buchhaltung ist etwa nicht meine Stärke“, sagt der 31-Jährige, der in den ersten Monaten als Einzelunternehmer schon „viel gelernt hat“: „Du schaffst es nur, wenn du mit viel Elan viel arbeitest, ein bisschen Glück und gute Partner hast.“So hat etwa ein Freund aus Jugendtagen, der heute als Grafikdesigner in Berlin lebt, die Etiketten und das Logo von „Aufgegessen.“entworfen. Dobnig konzentriert sich indes auf neue Produktideen: „In einem nächsten Schritt möchte ich mit Kräutern und mit Likören etwas ausprobieren.“Wichtig sei es, nie in Routine zu verharren, sondern immer neue und andere Geschmäcker zu kreieren: „Dann wird noch mehr aufgegessen.“
„In unserer von Stress und Hektik geprägten Zeit fehlt vielen einfach die Zeit für das Einkochen.“