Es gärt im Iran
Wütende Proteste richten sich gegen die Regierung. Auslöser sind die US-Sanktionen, die heute wieder in Kraft treten. Präsident Rouhani wirft Trump „psychologische Kriegsführung“vor.
TEHERAN. Die am Sonntag in Teheran gelandeten fünf neuen Flugzeuge des italienisch-französischen Flugzeugbauers ATR waren vermutlich die letzten guten Nachrichten für das Regime in Teheran für längere Zeit. Mit heute 6 Uhr MESZ tritt die erste Runde der US-Sanktionen wieder in Kraft. Tatsächlich spürt die iranische Bevölkerung die Wucht der neuen amerikanischen Strafmaßnahmen schon seit Monaten: Die Landeswährung Rial ist gegenüber dem Dollar um 70 Prozent gefallen. Die Basaris halten Waren zurück, weil sie nicht wissen, ob sie Nachschub aus dem Ausland bekommen.
Über das Wochenende stiegen die Preise für Wassermelonen und Fladenbrot um weitere 50 Prozent, was neue Proteste in weiten Teilen des Landes zur Folge hatte. Von den SN kontaktierte Beobachter im Iran, die ihre Namen nicht nennen möchten, beschreiben die Lage als „extrem angespannt“: „Die Menschen sind wütend und verzweifelt und geben die Schuld in erster Linie der Regierung.“Das komme in Sprechchören wie „Tod dem Diktator“zum Ausdruck. Zudem werde ein „Stopp des Währungsverfalls“gefordert.
Das Regime sei gegen die friedlich verlaufenden Protestmärsche, die aus den Vororten von Teheran, Schiras, Isfahan und zahlreichen kleineren Städten gemeldet werden, bisher nicht vorgegangen. Lokale Gouverneure hätten die Wut der Bevölkerung sogar als berechtigt bezeichnet. Allerdings gebe es Kräfte unter den Iranern, die an einer Radikalisierung der Proteste ein Interesse hätten.
So war vergangene Woche ein Demonstrant bei Teheran aus einem fahrenden Auto erschossen worden. Bei den Schützen könnte es sich um Mitglieder der iranischen Exilopposition handeln. Das Teheraner Regime hat bislang keine Mittel und Wege zur Bewältigung der Krise gefunden.
Nur noch wenige Iraner sind bereit, für ihre Misere ausschließlich die USA verantwortlich zu machen. Zu offensichtlich sind Korruption, Vetternwirtschaft und Misswirtschaft in einem Land, das seit der Revolution vor knapp 40 Jahren fast ständig unter internationalen Strafmaßnahmen leidet.
„Natürlich wissen die Menschen, dass die Amerikaner dem Regime an den Kragen wollen. Kaum jemand ist deshalb aber bereit, die Mullahs von ihrer Schuld reinzuwaschen“, sagt ein in Teheran arbeitender Journalist und Schriftsteller, der aus Furcht vor möglichen Repressalien ebenfalls anonym bleiben möchte. Die Bevölkerung sei gespalten. Der Wunsch nach Veränderungen groß. Andererseits würden die permanenten Einmischungen der Amerikaner im Iran als „kontraproduktiv“empfunden.
Die USA wollen nach den Worten von Außenminister Mike Pompeo mit den Sanktionen einen Politikwechsel im Iran erzwingen. Die USRegierung wirft dem Iran ein aggressives Verhalten vor allem in Nahost vor. Das Land ist in die Konflikte im Jemen, dem Irak und in Syrien verwickelt und unterstützt dort jeweils andere Parteien als die USA und ihre Verbündeten. „Sie müssen sich einfach wie ein normales Land benehmen, das ist die Vorgabe“, sagte Pompeo.
Die Strafmaßnahmen waren im Zuge des Atomdeals ausgesetzt worden. Die 2015 erzielte Vereinbarung soll den Iran daran hindern, eine Atombombe zu bauen. Im Gegenzug sollte der Westen Strafmaßnahmen aufheben und damit unter anderem auch Investitionen im Iran möglich machen.
US-Präsident Donald Trump ist aus dem internationalen Abkommen aber ausgestiegen, weil er glaubt, das Regime in Teheran strebe weiter nach der Atombombe. Die EU-Staaten hingegen wollen an dem Abkommen festhalten. Mit dem Ausstieg der USA kehren nun die ausgesetzten Sanktionen zurück. In der ersten Phase richten sie sich gegen Irans Zugang zu USBanknoten, den Automobilsektor und den Export von Metallen, Agrarprodukten und Teppichen.
Der iranische Präsident Hassan Rouhani wandte sich am Montagabend in einer TV-Ansprache an seine Landsleute. Er warf der USRegierung „psychologische Kriegsführung gegen die iranische Nation“vor. Die Kombination aus neuen US-Sanktionen und gleichzeitigem Verhandlungsangebot von Präsident Trump nannte Rouhani „unsinnig“. Aber das Gesprächsangebot Trumps lehnte er dennoch nicht ab. Trotz der Strafmaßnahmen wolle der Iran jedoch weiter an dem Wiener Atomabkommen von 2015 festhalten.