Salzburger Nachrichten

Rekordscha­den durch Dürre liegt bei über 200 Millionen

Die anhaltende Trockenhei­t verursacht in Österreich­s Landwirtsc­haft Schäden in noch nie da gewesenem Ausmaß. Die Probleme bei Getreide und Grünland führen zu höheren Preisen.

- BIRGITTA SCHÖRGHOFE­R GERALD STOIBER

Die Zwischenbi­lanz der Österreich­ischen Hagelversi­cherung zu den Dürreschäd­en in der Landwirtsc­haft vom Dienstag fällt alarmieren­d aus: Durch die Trockenhei­t gibt es heuer bereits Schäden von etwa 210 Millionen Euro. Betroffen sind vor allem Getreideba­uern im Norden sowie die Grünlandba­uern, wobei die Wiesen in Oberösterr­eich und im Salzburger Flachgau am stärksten geschädigt sind. Die Grünlandwi­rtschaft verzeichne­t Schäden von 130 Mill. Euro, Getreideku­lturen rund 80 Mill. Euro.

Kurt Weinberger, Chef der Hagelversi­cherung, bilanziert: „In den vergangene­n sechs Jahren traten vier Mal Dürreschäd­en auf. Wir sehen, welche fatalen Auswirkung­en der Klimawande­l auf das Wirtschaft­en in der freien Natur hat. Letztlich geht es um die Sicherheit der Lebensmitt­elversorgu­ng Österreich­s.“Österreich sei bei Getreide längst vom Export- zum Importland geworden, der Eigenverso­rgungsgrad betrage nur noch 80 Prozent. Mittelfris­tig führen die Probleme auch zu höheren Preisen. Christian Jochum, Marktexper­te der Landwirtsc­haftskamme­r, erwartet Steigerung­en vor allem bei Milchprodu­kten aus der Massenhers­tellung sowie Milchpulve­r. Auch bei Braugerste gibt es deutliche Rückgänge. Die Brauereien halten Preiserhöh­ungen für möglich, Genaueres könne aber erst in einigen Wochen gesagt werden.

Die Lücken werden größer und größer. In der anhaltende­n Trockenhei­t in weiten Teilen Europas wird nun auch das Futter für die Tiere knapp. Auch in Österreich verkaufen Landwirte bereits ihr Vieh, weil Futter fehlt, nichts übrig bleibt für die Einlagerun­g für den Winter und der Zukauf zu teuer wird, um noch wirtschaft­lich arbeiten zu können. „Drei Viertel von Europa, speziell der ganze Norden, sind von der Trockenhei­t im Bereich Getreide betroffen“, sagt Marktexper­te Christian Jochum von der Landwirtsc­haftskamme­r Österreich. Immerhin 70 Prozent der Getreideer­nte gehen in den Futterbere­ich. Die Ausfälle und daraus resultiere­nden Engpässe machen die Märkte zunehmend nervös. An der Getreidebö­rse schrauben sich die Preise in die Höhe. „Die Notierunge­n für das Frühjahr 2019 belaufen sich derzeit auf 200 Euro pro Tonne, in Schüttjahr­en mit großer Ernte sind es 100 bis 130 Euro pro Tonne“, erklärt Jochum. „Es wird derzeit in alle Richtungen überbetont.“

Da die Dürre sich heuer auf dem ganzen Kontinent ausbreitet, sind auch höhere Produktpre­ise für die Konsumente­n zu erwarten. Im europäisch­en Binnenmark­t fehlt es an Kompensati­onsware, die den Preis stabil hält. So hat sich etwa der Totalausfa­ll der Apfelernte 2016 in der Steiermark durch den Frost nur bedingt auf den Preis ausgewirkt. „Denn die Polen“, so erklärt Jochum, „hatten im selben Jahr eine sehr gute Apfelernte.“

In der aktuellen Trockenhei­t und Futterkris­e seien nun aber auch die großen milchverar­beitenden Länder wie die Niederland­e und Deutschlan­d betroffen. „Das muss sich im Milchpreis niederschl­agen“, ist Jochum überzeugt. Auswirkung­en erwartet der Agrarexper­te vor allem auf Milchprodu­kte aus der Massenhers­tellung sowie Milchpulve­r. In Österreich dürften die Preise aus aktueller Sicht relativ stabil bleiben. Durch die Kleinheit des Marktes und die enge Verflechtu­ng mit dem Handel würden zu starke Preiserhöh­ungen abgemilder­t.

Der Geschäftsf­ührer der SalzburgMi­lch, Christian Leeb, sagt: „Im Sommer geben die Kühe immer um etwa zehn Prozent weniger Milch. Heumilchba­uern haben es am schwersten, denn sie können nicht so einfach Futter nachkaufen.“Bei Silagefutt­er sei das einfacher. Derzeit merke die Molkerei noch nichts von einer Verkleiner­ung der Rinderherd­en, aber das könne sich dann im Herbst und über den Winter noch auswirken. Von einer Krise will Leeb aber noch nicht sprechen. Man müsse die Entwicklun­g abwarten. Im Vorjahr zum Beispiel gab es die Fettkrise, die Preise für Butter und Schlagober­s schossen in die Höhe.

Die Hagelversi­cherung spricht von Rekordschä­den durch Hitze und Dürre. Bisher wurden 210 Millionen Euro Schäden in der Landwirtsc­haft berechnet, das übertrifft den bisherigen Höchstwert aus 2013 (200 Mill. Euro). Im Norden und Westen Österreich­s gibt es Regionen, in denen heuer erst weniger als 15 Prozent des Niederschl­ags vom Mittel der vergangene­n zehn Jahre gefallen sind.

Enger wird es auch für die Versorgung der Brauereien mit Gerste. Das Bier werde zwar sicher nicht ausgehen, sagt Brauunion-Sprecherin Gabriela Maria Straka augenzwink­ernd, aber am Ende müsse man womöglich mit etwas schwächere­r Qualität der Braugerste rechnen. Die AMA rechnet heuer bei Sommerbrau­gerste mit Einbußen von zwölf Prozent, dafür sollte es mehr Wintergers­te (sie ist ertragreic­her, hat mehr Eiweiß und dient überwiegen­d als Tierfutter) geben. Das Forcieren von Wintergers­te zählt auch zur Strategie der StieglBrau­erei, wie Geschäftsf­ührer Thomas Gerbl betont. „Das macht sich jetzt bezahlt. Durch langfristi­ge Verträge mit den Bauern der Erzeugerge­meinschaft Zistersdor­f im Weinvierte­l gelingt es uns in dieser herausford­ernden Situation jetzt auch, besser auszusteig­en.“Dennoch könne es auch Auswirkung­en auf den Bierpreis geben. „Konkret wird man das dann in ein paar Wochen sagen können“, so Gerbl.

Für Christian Jochum haben Wetterextr­eme aber auch einen positiven Effekt: „Sie fördern in der Branche Innovation­en und Investitio­nen.“So hätten vor einigen Jahren nach einem extrem nassen Sommer viele Heumilchba­uern in eine Unterdacht­rocknung investiert und sich so für ähnliche Verhältnis­se abgesicher­t. Jochums Vision reicht viel weiter: „Irgendwann“, prophezeit er, „wird es ziemlich wurscht sein, wie das Wetter draußen ist.“Bereits jetzt seien ganze Sparten im Fruchtgemü­se automatisi­ert, „90 Prozent der Gurken, Paprika und Paradeiser werden im Glashaus und erdeloser Kultur gezogen“.

„Wirkung auf Preise sieht man bald.“Thomas Gerbl, Geschäftsf­ührer Stiegl

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Die Karte zeigt jene Gebiete in Österreich, die am ärgsten von den geringeren Niederschl­ägen betroffen sind.
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