Die SPÖ unterwegs in die Zukunft
Das neue Parteiprogramm soll der ehemaligen Kanzlerpartei wieder Glaubwürdigkeit verleihen und innerparteilichen Frieden beim Thema Nummer eins stiften.
WIEN. Die Einleitung des neuen SPÖ-Parteiprogramms wirkt wie in eigener Sache geschrieben: „Die Welt steht nicht still. Sie ist stets im Wandel, der sich beschleunigt und immer wieder in Phasen politischen und gesellschaftlichen Umbruchs übergeht.“
Das ist treffend formuliert, denn der politische Umbruch im Gefolge der Migrationskrise hat der SPÖ hart zugesetzt. Die langjährige Kanzlerpartei fand sich nach der Wahl 2017 auf der Oppositionsbank wieder – gegenüber einer Regierung, die fest im Sattel sitzt und nicht so wirkt, als würde sie bald wieder die Macht abgeben. Die SPÖ muss sich also auf einen langen Weg zurück in die Regierung einstellen, und auf diesem Weg soll das neue Programm helfen.
Offiziell beschlossen wird es auf einem Parteitag im Oktober, am Dienstag wurde das Papier vom Parteivorstand abgesegnet. Es ersetzt das bisherige Programm aus dem Jahr 1998 – damals war Viktor Klima Parteichef. Der heutige Vorsitzende Christian Kern möchte mit dem neuen Programm „Glaubwürdigkeit zurückgewinnen“, wie er sagt. „Das ist das Projekt für die Zukunft.“
Zum aktuellen Thema Nummer eins, der Migration, heißt es in dem Programm: „Wir verstehen, dass es auch zur Überforderung kommen kann, wenn das Gewohnte dem Ungewohnten Platz macht, und wir wissen, wie wichtig Integration für ein funktionierendes Zusammenleben ist.“Die SPÖ bekennt sich zur Genfer Flüchtlingskonvention, äußert aber auch die Überzeugung, dass Schutzsuchenden am besten in der Nähe ihrer Heimatländer geholfen werden könne. Sie fordert, dass Asylbewerber fair auf die EUStaaten verteilt werden, dass legale Wege für Flüchtlinge nach Europa geschaffen werden, dass es aber auch einen funktionierenden EUAußengrenzschutz gibt.
Sichtlich wird mit diesen Formulierungen ein Ausgleich zwischen den Parteiflügeln versucht, die in der Asylfrage bisher doch weit auseinander lagen, was zum Rücktritt von Kerns Vorgänger Werner Faymann geführt hatte.
Im Europakapitel spricht sich die SPÖ für ein soziales „Europa zum Verlieben“aus. Zur Sozialpolitik heißt es: „Das wirkliche Vermögen fast aller Menschen in Österreich ist der Sozialstaat. Er ist die Grundlage dafür, dass krisenhafte Ereignisse in einem Leben nicht automatisch in die Armut führen. Und er ist das einzige echte Umverteilungsinstrument, das wir haben.“
Weiters legt die SPÖ in dem Programm unter anderem Bekenntnisse zur Neutralität, zur Gesamtschule und zur Arbeitszeitverkürzung ab.
In einem das Parteiprogramm ergänzenden „Demokratiepaket“gibt sich die SPÖ folgende neue interne Spielregeln:
1. Bei Regierungsbildungen soll über Koalitionspartner und Koalitionspakt künftig eine Mitgliederbefragung entscheiden. Die Entscheidung fällt mit einfacher Mehrheit und ist dann gültig, wenn mindestens 20 Prozent der Mitglieder an der Abstimmung teilnehmen.
2. Langzeitmandatare sollen nach zwei Legislaturperioden nur noch dann weitermachen dürfen, wenn sie im entsprechenden Parteigremium eine Zwei-Drittel-Mehrheit dafür bekommen.
3. Fünf Prozent der Parteimitglieder aus zumindest drei Bundesländern können in Zukunft eine Mitgliederbefragung zu einem bestimmten Thema verlangen. Zehn Prozent können einen Mitgliederentscheid verlangen. Dieser Entscheid ist bindend, sobald sich 20 Prozent der Mitglieder daran beteiligen.
4. Weiters plant die SPÖ die Einschränkung von Ämterkumulierung. Mehrfachbezüge sollen durch höhere Solidaritätsabgaben (Parteisteuer) zurückgedrängt werden.
Noch kein Thema war am Dienstag die Vorsitzendenwahl beim Parteitag im Oktober. Kern hat aber mehrfach versichert, neuerlich kandidieren, also in der Politik bleiben zu wollen.