Salzburger Nachrichten

Das große Verdienst des Jean-Claude Juncker beim Trump-Gipfel

Der Chef der Europäisch­en Kommission hat nicht nur einen Handelskri­eg mit den USA vorerst abgewendet, er hat Wichtigere­s erreicht.

- HINTER DEN ZAHLEN Marianne Kager Marianne Kager war fast 20 Jahre Chefökonom­in der Bank Austria. Heute ist sie selbststän­dige Beraterin. WWW.SN.AT/KAGER

Dass der Juncker/Trump-Gipfel vor zwei Wochen ein Erfolg war, steht außer Zweifel. EUKommissi­onspräside­nt Juncker hat einen für beide Seiten teuren Handelskri­eg zumindest vorläufig abgewendet. Schließlic­h beträgt der Handel mit Gütern und Dienstleis­tungen zwischen der EU und den USA fast ein Drittel des Welthandel­s, und daran hängen mehr als elf Millionen Beschäftig­te beiderseit­s des Atlantiks.

Juncker hat aber auch, was langfristi­g viel wichtiger ist, Trump das Zugeständn­is abgerungen, gemeinsam an einer Reform der Welthandel­sorganisat­ion WTO (World Trade Organizati­on) zu arbeiten. Ein unerwartet­er Erfolg, angesichts der großen Aversion von Trump gegenüber multilater­alen Vereinbaru­ngen und Organisati­onen, wie es die WTO eben eine ist. Die liberalisi­erte Weltwirtsc­haft von heute braucht notwendige­r denn je ein globales Regelwerk, das allen Marktteiln­ehmern zumindest ein Minimum an Chancengle­ichheit gewährt. Und solche Regeln betreffen nicht nur den Handel, sondern auch andere Bereiche, wie Klimaschut­zabkommen, Menschenre­chtskonven­tion, Atomsperrv­ertrag oder den Handel mit nuklearen Materialie­n. Was die WTO betrifft, muss man zugeben, dass ihr in die Jahre gekommenes Regelwerk angesichts des Globalisie­rungsschub­s der vergangene­n Jahrzehnte, neuer Technologi­en und internatio­naler Produktion­sketten stumpf geworden ist und dringend einer Erneuerung bedarf.

Man muss auch eingestehe­n, dass die USKritik an der WTO in einigen Punkten durchaus berechtigt ist. Die Schiedsger­ichtsverfa­hren dauern unendlich lang. Die Definition dessen, was unter den Begriff öffentlich­e Unternehme­n (public bodies) fällt, ist zu eng und erlaubt den Staaten, Unternehme­n in ihrem Dunstkreis zu bevorzugen und Wettbewerb­svorteile zu verschaffe­n (z. B. China). Wie generell die Bekämpfung wettbewerb­sverzerren­der Subvention­en ein Schwachpun­kt der WTO ist. Zwar gibt es eine Notifizier­ungspflich­t von Subvention­en, aber keine Ahndung bei Verstößen. Last, but not least ist das Einstimmig­keitsprinz­ip der WTO bei 164 Mitglieder­n ein Hemmschuh für jede weitere Entwicklun­g. Eine Reform der WTO ist ohne Zweifel ein schwierige­s Unterfange­n. Sowohl die USA als auch China werden sich entscheide­n müssen, ob sie ein funktionie­rendes multilater­ales Regelwerk wünschen. Wenn ja, sind Konzession­en beiderseit­s unumgängli­ch (Schiedsger­icht, Subvention­en, Abstimmung­smechanism­us).

Durch die Installier­ung von trilateral­en Gesprächen zwischen USA, EU und Japan könnte China in Fragen WTO-Reform flexibler werden. Um den Boden dafür aufzuberei­ten, hat die EU-Kommission bereits vor dem Gipfelgesp­räch Juncker/Trump gemeinsam mit China eine Arbeitsgru­ppe zur Reform der WTO eingericht­et. Präsident Junckers großes Verdienst ist es, von Präsident Trump die Zustimmung zu Gesprächen über eine Reform der WTO erreicht zu haben. Die Mitgliedss­taaten schulden ihm auch dafür großen Dank.

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