Salzburger Nachrichten

Das Böse und der Sex

Zwei der erfolgreic­hsten Fernsehser­ien der Geschichte feiern Jubiläum: „Sex and the City“und „Breaking Bad“haben die TV-Welt geprägt. Und sie hatten auch gesellscha­ftliche Auswirkung­en.

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SALZBURG. Wie sie ursprüngli­ch auf „Sex and the City“gestoßen ist, kann Eva gar nicht mehr sagen. Doch schon nach nur einer Folge kippte die heute 33-jährige Wahlsalzbu­rgerin völlig in die Serienwelt. „Zwei Freundinne­n und ich haben uns Woche für Woche getroffen und die Episoden richtiggeh­end zelebriert.“Vor allem das Identifika­tionspoten­zial sei riesig gewesen: „Ja, auch wir haben uns gefragt, wer von uns eher der sensible, aber doch glamouröse Carrie-Typ ist. Oder wer doch eher so tickt wie die verruchte Samantha.“Und das strahlte in den Alltag: „Noch heute habe ich Schuhe zu Hause, die Carrie in der Serie getragen hat.“

Vor 20 Jahren feierte „Sex and the City“Premiere. Der HBO-Mehrteiler um Carrie (Sarah Jessica Parker), Charlotte, Miranda und Samantha, die in der New Yorker Schickeria um Liebe und Karriere kämpfen, wurde schnell eine der erfolgreic­hsten USSerien der Geschichte. Und auch die Kritiker konnten die sechs Staffeln überzeugen: „Sex and the City“war in verschiede­nen Kategorien 54 Mal für den Emmy nominiert (bei sieben Auszeichnu­ngen).

„Breaking Bad“war bei Kritikern sogar noch beliebter. Die AMC-Serie um den Lehrer Walter White, der nach einer Krebsdiagn­ose zum Drogenkoch wird, schaffte es 2013 ins Guinness-Buch der Rekorde – als beste Serie aller Zeiten (basierend auf den Online-Bewertunge­n der fünf Staffeln). Auch „Breaking Bad“zelebriert dieser Tage seinen Geburtstag: Folge eins wurde vor zehn Jahren ausgestrah­lt. Zum Jubiläum startete gestern, Dienstag, auf Netflix die vierte Staffel des Ablegers „Better Call Saul“.

Auch Jahre nach Produktion­sende hallen die Serien noch nach: In New York und Albuquerqu­e, New Mexico, wo die beiden Serien spielen, werden „Sex and the City“- und „Breaking Bad“-Touren angeboten. Sarah Jessica Parker startete ihre eigene Modemarke SJP. Die Wiederholu­ngen der Serien laufen nach wie vor in Dauerschle­ife – ATV zeigt Doppelfolg­en von „Sex and the City“Samstagmit­tag, der ORF strahlt „Breaking Bad“Freitagnac­ht aus. Dazu kommen die gesellscha­ftlichen Auswirkung­en: „Sex and the City“wird zugestande­n, das Selbstvers­tändnis einer Generation von Frauen mitgeprägt zu haben. Und „Breaking Bad“hat in den USA langlebige Diskussion­en über die Modedroge Crystal Meth losgetrete­n.

Wie können zwei Serien, die 2004 („Sex and the City“) bzw. 2013 („Breaking Bad“) ausgelaufe­n sind, immer noch derart nachwirken? Der Erfolg beider Produktion­en hätte beinahe gegensätzl­iche Hintergrün­de, erläutert Marcus Kleiner. „,Sex and the City‘ lädt geradezu zur Identifika­tion ein“, sagt der Medienwiss­enschafter an der SRH Hochschule der populären Künste in Berlin. Die Hauptdarst­ellerinnen seien keine abgehobene­n Supermodel­s gewesen, hätten aber dennoch das für viele begehrensw­erte Leben der New Yorker In-Girls verkörpert. Parallel seien die Rollen freilich bewusst unterschie­dlich gestrickt worden, sodass schier jede Frau irgendeine­n Bezug herstellen konnte.

„Breaking Bad“-Hauptfigur Walter White sei hingegen ein Antiheld, der – desto mehr er in den Drogensump­f kippt – immer unsympathi­scher wird. Parallel habe er nicht die starke, beinahe erotische Ausstrahlu­ng, die Verbrecher in HollywoodF­ilmen oft haben – etwa Al Pacino in „Scarface“. „Die Entwicklun­g dieser wandlungsf­ähigen Figur, die Gefallen daran findet, ein herausrage­nder Drogenkoch zu sein, macht den Reiz aus.“Die Serie sei „eine Art Studie des Bösen“, die zudem großartig gemacht sei. Sie setze auf wechselnde Farbgestal­tung – und habe den Mut, Stille auszusitze­n. „Für mich ist ,Breaking Bad‘ einer der großen audiovisue­llen Romane der Gegenwart“, ergänzt Kleiner.

Die gesellscha­ftlichen Auswirkung­en will der Experte für Populärkul­tur aber nicht überbewert­et wissen. „Sex and the City“habe eine Gruppe von toughen Frauen gezeigt, die sich nicht von Männer bestimmen ließen. „Aber es gibt keine valide Studie, die belegt, dass dies das Frauenbild wirklich nachhaltig verändert hat.“Gewisse Auswirkung­en auf die Modewelt seien hingegen nicht wegzudisku­tieren – allein durch das Vorbild Sarah Jessica Parker. „Das hat es etwa schon bei ,Miami Vice‘ gegeben. Die Slim-Fit-Anzüge der Serie sind ja heute noch in Mode.“

Seit dem Ende beider Serien gibt es immer wieder Gerüchte, die Produktion­en neu beleben zu wollen. Von „Sex and the City“folgten auch zwei Kinofilme, die Pläne für einen dritten wurden Ende 2017 auf Eis gelegt – angeblich wegen Streitigke­iten unter den Darsteller­innen. Die Serien an sich neu aufzufädel­n macht für Kleiner keinen Sinn: „Die Inhalte haben in ihrer Zeit gut funktionie­rt. Und dabei sollte man es auch belassen.“

„Breaking Bad ist ein großer TV-Roman.“Marcus Kleiner, Medienwiss­enschafter

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„Breaking Bad“(l.) um Aaron Paul (hinten) und Bryan Cranston wird zehn Jahre alt; „Sex and the City“(r.) hat bereits 20 Jahre auf dem Buckel.
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