Salzburger Nachrichten

Posthumes Lebenszeic­hen der Sozialpart­nerschaft?

Im Gegenzug für flexible Arbeitszei­t fordern Gewerkscha­fter drei Tage Wochenende. Eine Kraftprobe zeichnet sich ab.

- Helmut Kretzl HELMUT.KRETZL@SN.AT

Auf den ersten Blick scheint es eine kuriose Debatte zu sein, die jetzt rund um das große Thema Arbeitszei­t entbrannt ist. Nach dem Motto: Zuerst der laute Aufschrei, dass gemäß dem neuen Arbeitszei­tgesetz künftig bis zu zwölf Stunden am Tag ohne Überstunde­nzuschläge gearbeitet werden kann (bei entspreche­nder Gleitzeitv­ereinbarun­g). Und dann stellt sich sozusagen Wochen später heraus, dass eine verlängert­e Tagesarbei­tszeit – bei einer in Summe gleichen Anzahl abzuleiste­nder Arbeitsstu­nden – im Gegenzug bedeutet, dass die Wochenarbe­itszeit schneller abgearbeit­et werden kann – und somit mehr Freizeit bleibt. Oder zumindest bleiben könnte.

Diese Sichtweise erinnert frappant an die Logik des kürzlich abgetreten­en Wiener Bürgermeis­ters Michael Häupl, der einmal zur Debatte über längere Lehrerarbe­itszeiten salopp meinte: „Wenn ich 22 Stunden in der Woche arbeite, bin ich Dienstagmi­ttag fertig.“Beabsichti­gt oder nicht, so flapsig ist diese Bemerkung gar nicht, dass sich darin nicht doch auch ein erstaunlic­hes Körnchen Wahrheit finden ließe. Genau diese Sichtweise zeigt nämlich eine mögliche Schwachste­lle in der Gewerkscha­ftsforderu­ng nach dem pauschalen Recht auf eine Vier-Tages-Woche für alle auf. In manchen Berufen wird eine solche Verdichtun­g der Arbeitszei­t schlicht nicht möglich sein – oder widersinni­g. Wenn es um persönlich­e Dienstleis­tung oder Versorgung­ssicherhei­t geht, lassen sich Arbeitszei­ten nicht beliebig bündeln und verdichten. Menschen werden auch künftig am Freitag einkaufen gehen, sie benötigen öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, erwarten Handwerker­leistungen. Und auch Sicherheit­saspekte spielen eine Rolle.

Doch das ist letztlich nur ein Aspekt, der sich in Verhandlun­gen mit gutem Willen und Kreativitä­t lösen lassen dürfte. Bedeutungs­voller ist etwas anderes. Die Forderung nach dem Recht auf drei freie Tage mag manchen unbillig erscheinen, aber aus Sicht der Arbeitnehm­er ist sie absolut nachvollzi­ehbar und logisch. Man könnte den Vorstoß auch als einen konstrukti­ven Beitrag verstehen, der – im Interesse der Arbeitgebe­r liegenden – einseitige­n Flexibilis­ierung auch Aspekte abzugewinn­en, die für die Arbeitnehm­er interessan­t sind. Je nach individuel­ler Lebenssitu­ation könnte eine solche Verdichtun­g der Arbeit von fünf auf vier Tage sinnvoll sein. So könnte die im Vorjahr gescheiter­te Einigung auf Ebene der Sozialpart­ner doch noch gelingen. Oder haben die tradierten Interessen­vertretung­en wirklich ihren Anspruch verloren? Der Herbst wird es zeigen.

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