Ein klassischer Entertainer bringt den Saal zum Singen
Rolando Villazón präsentierte bei den Salzburger Festspielen selten gehörte Liederzyklen aus Spanien und Lateinamerika.
SALZBURG. „Ay, ay, ay, ay“, jauchzte Rolando Villazón. Das Echo aus den Zuschauerreihen im Haus für Mozart ließ nicht lang auf sich warten: „Canta y no llores.“Im Zugabenblock seines Liederabends am Mittwoch offenbarten sich wieder einmal die Entertainerqualitäten des mexikanischen Tenors. Das Volkslied „Cielito lindo“aus Villazóns Heimat schloss den Kreis zum Beginn: Gleich im ersten Lied ertönte ein markantes „Ay“.
Das stammt jedoch aus spanischer Feder. Manuel de Falla hat in seinen „Siete canciones populares españolas“populäre Melodien in die Sphäre des Kunstlieds gehoben. Was man aus dieser Gattung hierzulande zumeist hört, lässt sich geografisch im mitteleuropäischen Raum eingrenzen. Villazóns Auswahl an spanischen und lateinamerikanischen Liederzyklen des frühen 20. Jahrhunderts hingegen förderte andere Klanglandschaften zutage: hoch emotionale Erzählungen von Trauer und Schmerz, aber auch von Witz durchdrungene Liebesbekundungen – zweiteres natürlich ein gefundenes Fressen für den expressiven Gestiker Villazón.
Über die literarischen Qualitäten eines Federico García Lorca gibt es ohnehin nichts zu diskutieren. Der mexikanische Komponist Silvestre Revueltas hat drei eigenwillige Gedichte García Lorcas in seinen Kinderlieder-Zyklus eingebaut. „El lagarto y la lagarta“etwa handelt von Echsen. Sie weinen, weil ihre Verlobungsringe abhandengekommen sind. Im „Cancíon tonta“fordert ein Sohn seine Mutter auf, ihn in ihr Kopfkissen zur sticken. Man muss kein Kind sein, um diese Art von absurdem Humor höchst amüsant zu finden.
Eine weitere Entdeckung war ein Liedergespann des Katalanen Federico Mompou, deren spätromantisch-süffige Klangfärbungen mit der blumigen Sprache korrespondieren. „Es ist kein Schnee, es sind Himmelsblumen“, heißt es etwa in „Neu“; Mompou hat hier ein selbstverfasstes Gedicht vertont. Rolando Villazón ließ sein Tenortimbre hier frei strömen und erzielte wundervolle Klangeffekte. Pianistin CarrieAnn Matheson geleitete den gewohnt am stimmlichen Grat balancierenden Charismatiker trittsicher und mit viel rhythmischer Finesse in heiklem Terrain.