Klimazölle könnten einen Großteil des EU-Budgets finanzieren
Laut Wirtschaftsforschern könnten CO2-Einfuhrabgaben auf „schmutzige“Importe jährlich Milliarden ins EU-Budget spülen. Damit könnten Länder ihre Mitgliedsbeiträge absenken.
Klimazölle könnten dem EU-Haushalt Einnahmen in dreistelliger Milliardenhöhe bescheren – und somit das EU-Budget deutlich entlasten. Laut Modellrechnungen des Wirtschaftsforschungsinstituts könnte eine Einfuhrsteuer auf „schmutzige“Importe (Waren, die hohe CO2-Emissionen in der Produktion erfordern) im Jahr 2027 jährliche Einnahmen von bis zu 180 Mrd. Euro in die EU-Kassen spülen. Voraussetzung für solche Klimazölle ist ein gemeinsames Vorgehen der EU-Länder. Das würde die Wettbewerbsfähigkeit Europas gegenüber Ländern mit lascheren Umweltauflagen verbessern.
Bisher handelt es sich bei der Idee für Klimazölle lediglich um ein Gedankenexperiment. Aber die Idee ist bestechend – und das Ergebnis kann sich sehen lassen, wie Experten des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) jetzt berechnet haben.
Der Ansatz: Die EU sollte künftig „schmutzige“Produkte bei der Einfuhr in die EU besteuern – als Begleitmaßnahme zum bereits bestehenden Emissionshandel. Das hätte einen umweltpolitischen Lenkungseffekt, denn damit würden umweltschonend hergestellte Produkte vergleichsweise günstiger, solche mit höherem CO2-Ausstoß dagegen tendenziell teurer.
Das hätte eine Reihe positiver Effekte. Einer davon: Die Maßnahme würde die europäische Wirtschaft, die verhältnismäßig strengen Umweltauflagen unterliegt, wettbewerbsfähiger machen.
Solche CO2-Zölle könnten als Begleitmaßnahme zum bestehenden EU-Emissionshandel an der EU-Außengrenze bei der Gütereinfuhr auf die Menge an Treibhausgas-Emissionen eingehoben werden, die durch die Erzeugung eines bestimmten Produkts verursacht wird.
Die Einnahmen aus einer solchen Steuer wären laut Modellsimulationen des Wifo beträchtlich. So könnte eine solche Steuer im Jahr 2027 je nach Ausgestaltung zwischen 70 und 180 Milliarden ins EU-Budget spülen, haben die Wifo-Experten Margit Schratzenstaller, Alexander Krenek und Mark Sommer errechnet. Das heißt, mit diesen Einnahmen könnte ein Drittel bis zu 90 Prozent des im Mai vorgeschlagenen EU-Jahresbudgetrahmens finanziert werden. Damit könnten nicht nur die Kosten eines Brexit locker kompensiert werden, sondern auch die Beiträge für die Nettozahler unter den EU-Staaten deutlich abgesenkt werden.
Die Rechnung basiert auf der Annahme eines Importzolls von 100 Euro pro Tonne CO2 bei angenommener gleichbleibender CO2Intensität der importierten Produkte. Und gemessen am Gesamtvolumen der Importe wäre die Besteuerung noch immer relativ überschaubar. In der Wifo-Modellberechnung könnte die Besteuerung in einer Dimension von drei bis vier Prozent zu liegen kommen.
Konkret hat das Wifo drei Szenarien durchgerechnet. In allen drei Modellen wurden gleiche linear ansteigende Importzölle von nominell 36 Euro je Tonne (2018) bis nominell 400 Euro je Tonne im Jahr 2050 angesetzt. Variiert wurde nur bei der durchaus komplexen Berechnung, wie viel Treibhausgas im importierten Produkt „drinsteckt“.
Das am wenigsten ehrgeizige Modell („Elec only“) zielt nur auf den direkten und indirekten Einsatz von Strom zur Herstellung der importierten Güter und die damit verbundenen CO2-Emissionen ab. Hier steht der relativ gut bekannte Brennstoffmix bei der Stromerzeugung der jeweiligen Länder im Mittelpunkt der Rechnung. Das wäre die billigste Bemessungsmethode.
In der teuersten Rechenvariante könnten die Einnahmen hochgerechnet auf das Jahr 2050 bei 400 Euro je Tonne Importzoll bei mehr als 900 Mrd. Euro liegen. In der billigsten Variante wäre es etwa halb so viel.
Doch in allen drei Szenarien wären die Einnahmen beträchtlich, schreibt das Wifo. Zudem könnte Europa einen bisherigen Wettbewerbsnachteil ausgleichen. Denn die Klimaabgabe würde verhindern, dass Betriebe in Länder außerhalb der EU mit lockereren Umweltauflagen abwandern.
Wichtig wäre freilich ein EU-weit akkordiertes Vorgehen, sagt WifoExperte Mark Sommer. Laut Wifo ist der Importanteil an der Wirtschaftsleistung in der Vergangenheit gestiegen.
Dieser Trend dürfte sich wohl fortsetzen. Der Anstieg des Importanteils würde durch Einhebung eines CO2-Importzolls bis 2050 nur „schwach“gedämpft.