Das neue Organ ist wie ein Freund
Bangen, Hoffen und Warten vor einer Transplantation werden abgelöst durch Euphorie, aber auch durch Ängste und Unsicherheit: Menschen mit neuen Organen leben in einem Ausnahmezustand, bis sie wieder Vertrauen zu sich fassen.
Bangen, Hoffen und Warten vor einer Transplantation werden abgelöst durch Euphorie, aber auch durch Ängste. Menschen mit neuen Organen, wie Niki Lauda, leben in einem Ausnahmezustand, bis sie wieder Vertrauen zu sich fassen.
WIEN. Der Erfolg einer jeglichen Operation hängt immer mit der inneren Einstellung des Patienten zusammen. Wie schnell er genest und wie gesund er danach weiterlebt, ist nicht nur Sache der Mediziner. Das gilt für jeden Eingriff, und natürlich im Besonderen für Transplantationen von Organen.
Obwohl das Verpflanzen von Herz, Niere, Leber oder Lunge in der Medizin längst zum Routineeingriff geworden ist, kann die Transplantation eines fremden Organs in den eigenen Körper für Betroffene psychische Belastungen nach sich ziehen. Auch wenn sie wissen, dass ihnen damit das Leben gerettet wurde. Doch meistens überwiegt die Erleichterung, gerettet worden zu sein. Vor allem Menschen mit einer neuen Lunge sind buchstäblich sehr erleichtert. Die Psychologin Beate Smeritschnig ist seit 20 Jahren Mitglied des Thorax-Transplantationsteams, das vor Kurzem auch Niki Lauda eine neue Lunge transplantierte. „Lungenpatienten unterscheiden sich stark von anderen Patienten, die auf ein Organ warten“, sagt sie. Einfach deshalb, weil sie vor der Operation 24 Stunden am Sauerstoff hängen. Sie können nicht durchatmen, ihre sozialen Kontakte schränken sich immer mehr ein, und sie haben durch die ständige Atemnot einen sehr großen Leidensdruck.
Lungentransplantierte Patienten sind zu Beginn in einer labilen Gemütslage. „Wenn sie das neue Organ haben, herrscht Euphorie. Dass man die Operation tatsächlich noch erlebt hat“, erklärt die Psychologin. Aber dann stelle sich meistens auch die Angst ein: „Was um Gottes willen passiert ab jetzt? Die Patienten haben Angst, dass ihr Körper das Organ abstößt. Sie würden das direkt als Kränkung empfinden“, sagt Smeritschnig.
Meistens, so die Psychologin, würde sich erst das nötige Zutrauen zum eigenen Körper einstellen, wenn die Patienten den ersten Infekt „überlebt“hätten und merkten, mit dem nötigen medizinischen Management würden sie nicht daran sterben. Erst dann bilde sich eine neue Identität. Sie wird gespeist aus der Gewissheit, dass sie ihrem Körper und ihrem neuen Organ vertrauen können.
„Unsere Patienten sind dann sehr zufrieden. Sie haben eine hohe Lebensqualität. Und sie können endlich durchatmen. Beim Essen, beim Reden, einfach immer“, sagt Smeritschnig.
Die Überlebensrate von Transplantierten ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Nicht nur in Österreich. Das ist dem Zuwachs an Erfahrungen in der Transplantationsmedizin, neuen Medikamenten und verfeinerten Operationsmethoden zu verdanken. Trotzdem ist so eine Transplantation für die Betroffenen immer noch alles andere als leicht. Abgesehen von der Schwere des Eingriffs muss der Patient danach lebenslang mit dem neuen Organ „befreundet“sein. Er muss darauf aufpassen und regelmäßig seine Medikamente einnehmen. „Unsere Patienten wissen, dass sie für das Organ eine Verantwortung tragen“, sagt Smeritschnig. Und so finden sie wieder in ihr Leben zurück, in ihre Partnerschaft oder ins Berufsleben.
Es gibt US-Studien, die zeigen, dass diese Rückkehr nicht alle schaffen. Nach so einer tiefgreifenden Operation ist es für einige Patienten schwierig, wieder in den Alltag zu finden und nicht mehr „Patient“zu sein. Der US-Psychologe Jackson Rainer von der Georgia Southern University wies in einer Studie nach, dass Menschen mit „fremden“Organen nicht selten Körperbildstörungen und Identitätsprobleme bekommen.
Um solche Entwicklungen zu vermeiden, hat das Transplantationszentrum im Wiener AKH ein eigenes Psychologenteam, das sich ab dem Zeitpunkt der Aufnahme des Patienten um ihn kümmert und versucht, ihm seine Ängste zu nehmen. „Oft hat man Kontakt ein Leben lang“, erzählt die Psychologin.