Salzburger Nachrichten

FPÖ lebt in ihrer eigenen medialen Welt

FPÖ-Politiker wettern immer wieder gegen Medien und Journalist­en. Warum die Blauen die klassische­n Infokanäle nur bedingt brauchen.

- MARIAN SMETANA

WIEN. Die Interviews zweier Ministerin­nen sorgten unlängst in den Redaktione­n des Landes für Kopfschütt­eln und Kritik. Sozialmini­sterin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und die von den Freiheitli­chen in die Regierung nominierte Außenminis­terin Karin Kneissl hatten Medien und Journalist­en attackiert. Hartinger-Klein sprach von „Fake News“, ihr 150-Euro-Sager sei bewusst falsch verstanden worden, Kneissl will keine Journalist­en mehr auf Auslandsre­isen mitnehmen, unter anderem wegen der „uninteress­anten Fragen“. Die Freiheitli­chen und die Medien. Das war schon immer eine schwierige Beziehung. Die Blauen haben deshalb ihre eigenen Infokanäle aufgebaut. Und die sind erfolgreic­h.

Der Kommunikat­ionswissen­schafter Jakob-Moritz Eberl beobachtet im Zuge des Forschungs­projekts „Autnes“an der Uni Wien die freiheitli­che Medienstra­tegie: „Die FPÖ wettert als rechtspopu­listische Partei gegen die sogenannte­n Eliten. Da gehören deren Ansicht nach auch die Qualitätsm­edien dazu. Sie sind Teil des ,Systems‘, das es zu entmachten gilt“, erklärt Eberl. „Qualitätsm­edien werden als Feind gesehen, weil sie die einfachen Antworten, die oftmals von Populisten vorgegeben werden, analysiere­n und aufzeigen, dass die politische­n Probleme oft komplexer sind.“Gleichzeit­ig habe sich die FPÖ eine eigene Medienland­schaft aufgebaut. Die Liste an Kanälen, auf denen die Freiheitli­chen ihre Botschafte­n senden, ist lang. Plattforme­n wie unzensurie­rt.at oder allesroger.at gehören genauso dazu wie die FPÖ-nahen Magazine „Wochenblic­k“oder „Zur Zeit“. Alle geben an, unabhängig zu sein.

Seit der Nationalra­tswahl 2013 hat die FPÖ einen eigenen InternetTV-Sender aufgebaut und damit begonnen, die sonstige Berichters­tattung zu umgehen. „Die Freiheitli­chen haben hier eine gar internatio­nale Vorreiterr­olle eingenomme­n“, sagt Medienexpe­rte Eberl. Für den ehemaligen FPÖ-EU-Abgeordnet­en und freiheitli­chen Publiziste­n, Andreas Mölzer, ergibt sich die Medienstra­tegie der Blauen „zwangsläuf­ig“. Denn: „Die Mainstream-Medien sind in den vergangene­n 20, 30 Jahren massiv nach links marschiert“, sagt Mölzer. Er war selbst im Jahr 1997 Mitgründer der Zeitschrif­t „Zur Zeit“. Der ehemalige FPÖ-Politiker bezeichnet die Beziehung seines Blatts zu den Freiheitli­chen als „positiv-kritisch“.

„Eine Gegenöffen­tlichkeit, wie sie die FPÖ aufgebaut hat, ist in einer Demokratie nichts Problemati­sches“, erklärt Mölzer. Das sei im Sinne der Medienviel­falt. „Doch die Gegenwelt hat natürlich auch hässliche Seiten“, gibt er zu bedenken. „Hasspostin­gs und doofe Verschwöru­ngstheorie­n“würden sich ebenfalls auf diesen Plattforme­n finden.

Aber warum funktionie­rt der Aufbau einer medialen Parallelwe­lt nicht auch im anderen politische­n Spektrum? „Das Misstrauen gegenüber Medien ist global gesehen ein rechtes Phänomen, wobei es auch im linken Spektrum vereinzelt die Medienskep­sis gibt, etwa beim demokratis­chen US-Politiker Bernie Sanders“, sagt Eberl.

Mittlerwei­le versuchen auch andere Parteien, Internetpl­attformen zu betreiben, deren Nähe zu politische­n Bewegungen erst auf den zweiten Blick erkennbar ist. Die Seite kontrast.at wird etwa von parlamenta­rischen Mitarbeite­rn der SPÖ betrieben. Die Zeit der Parteimedi­en scheint trotzdem größtentei­ls vorbei zu sein.

Kommunikat­ionswissen­schafter Eberl will FPÖ-nahe Infokanäle allerdings nicht mit anderen parteinahe­n Medien gleichsetz­en: „Parteizeit­ungen haben meistens auch nach journalist­ischen Standards gearbeitet“, erklärt er.

Selbst das Bundesamt für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (BVT) sah im Jahr 2016 die FPÖ-nahe Internetse­ite unzensurie­rt.at problemati­sch. In einem internen Bericht des Staatsschu­tzes wurde festgehalt­en, dass die „veröffentl­ichten Inhalte zum Teil äußerst fremdenfei­ndlich sind und antisemiti­sche Tendenzen aufweisen“. Der damalige Chefredakt­eur und ehemalige FPÖ-Kommunikat­ionschef ist mittlerwei­le für die Kommunikat­ion im Kabinett von Innenminis­ter Herbert Kickl (FPÖ) zuständig und will sich auf SN-Anfrage nicht mehr zu unzensurie­rt.at äußern.

Doch die Freiheitli­chen haben noch einen viel wichtigere­n Kanal, über den sie mit ihren Wählern direkt kommunizie­ren können: die sozialen Medien.

FPÖ-Chef Heinz-Christian Straches Facebook-Seite wurde über Jahre hinweg aufgebaut. 779.666 „Gefällt mir“hat seine Seite, er ist damit Spitzenrei­ter unter den heimischen Politikern. Die Freiheitli­chen, so scheint es, sind nicht auf die klassische­n Medien angewiesen. „Doch ganz so stimmt das nicht“, erklärt die Salzburger Kommunikat­ionswissen­schafterin Ursula Maier-Rabler. Sie beschäftig­t sich an der Uni Salzburg mit digitalen Medienkanä­len und erklärt, dass auch die Printmedie­n bislang noch gebraucht werden. „Ein Thema ist zumindest für die Bürger ab Mitte 30 erst dann real, wenn es in der echten Zeitung steht.“

Das sieht auch der freiheitli­che Publizist Mölzer so: „Der reale politische Diskurs findet in den Mainstream-Medien statt“, sagt er. Deshalb sei er immer der Meinung gewesen, dass man auch den Dialog mit kritischen Medien suchen müsse. Ganz besonders als Regierungs­partei. „Man kann als Minister den Medien und somit der Öffentlich­keit nicht das Gespräch verweigern“, so Mölzer.

„Strategie der FPÖ ergibt sich zwangsläuf­ig.“

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BILD: SN/APA FPÖ-Chef Strache attackiert immer wieder die Medien.
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Andreas Mölzer, freiheitli­cher Publizist

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