FPÖ lebt in ihrer eigenen medialen Welt
FPÖ-Politiker wettern immer wieder gegen Medien und Journalisten. Warum die Blauen die klassischen Infokanäle nur bedingt brauchen.
WIEN. Die Interviews zweier Ministerinnen sorgten unlängst in den Redaktionen des Landes für Kopfschütteln und Kritik. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) und die von den Freiheitlichen in die Regierung nominierte Außenministerin Karin Kneissl hatten Medien und Journalisten attackiert. Hartinger-Klein sprach von „Fake News“, ihr 150-Euro-Sager sei bewusst falsch verstanden worden, Kneissl will keine Journalisten mehr auf Auslandsreisen mitnehmen, unter anderem wegen der „uninteressanten Fragen“. Die Freiheitlichen und die Medien. Das war schon immer eine schwierige Beziehung. Die Blauen haben deshalb ihre eigenen Infokanäle aufgebaut. Und die sind erfolgreich.
Der Kommunikationswissenschafter Jakob-Moritz Eberl beobachtet im Zuge des Forschungsprojekts „Autnes“an der Uni Wien die freiheitliche Medienstrategie: „Die FPÖ wettert als rechtspopulistische Partei gegen die sogenannten Eliten. Da gehören deren Ansicht nach auch die Qualitätsmedien dazu. Sie sind Teil des ,Systems‘, das es zu entmachten gilt“, erklärt Eberl. „Qualitätsmedien werden als Feind gesehen, weil sie die einfachen Antworten, die oftmals von Populisten vorgegeben werden, analysieren und aufzeigen, dass die politischen Probleme oft komplexer sind.“Gleichzeitig habe sich die FPÖ eine eigene Medienlandschaft aufgebaut. Die Liste an Kanälen, auf denen die Freiheitlichen ihre Botschaften senden, ist lang. Plattformen wie unzensuriert.at oder allesroger.at gehören genauso dazu wie die FPÖ-nahen Magazine „Wochenblick“oder „Zur Zeit“. Alle geben an, unabhängig zu sein.
Seit der Nationalratswahl 2013 hat die FPÖ einen eigenen InternetTV-Sender aufgebaut und damit begonnen, die sonstige Berichterstattung zu umgehen. „Die Freiheitlichen haben hier eine gar internationale Vorreiterrolle eingenommen“, sagt Medienexperte Eberl. Für den ehemaligen FPÖ-EU-Abgeordneten und freiheitlichen Publizisten, Andreas Mölzer, ergibt sich die Medienstrategie der Blauen „zwangsläufig“. Denn: „Die Mainstream-Medien sind in den vergangenen 20, 30 Jahren massiv nach links marschiert“, sagt Mölzer. Er war selbst im Jahr 1997 Mitgründer der Zeitschrift „Zur Zeit“. Der ehemalige FPÖ-Politiker bezeichnet die Beziehung seines Blatts zu den Freiheitlichen als „positiv-kritisch“.
„Eine Gegenöffentlichkeit, wie sie die FPÖ aufgebaut hat, ist in einer Demokratie nichts Problematisches“, erklärt Mölzer. Das sei im Sinne der Medienvielfalt. „Doch die Gegenwelt hat natürlich auch hässliche Seiten“, gibt er zu bedenken. „Hasspostings und doofe Verschwörungstheorien“würden sich ebenfalls auf diesen Plattformen finden.
Aber warum funktioniert der Aufbau einer medialen Parallelwelt nicht auch im anderen politischen Spektrum? „Das Misstrauen gegenüber Medien ist global gesehen ein rechtes Phänomen, wobei es auch im linken Spektrum vereinzelt die Medienskepsis gibt, etwa beim demokratischen US-Politiker Bernie Sanders“, sagt Eberl.
Mittlerweile versuchen auch andere Parteien, Internetplattformen zu betreiben, deren Nähe zu politischen Bewegungen erst auf den zweiten Blick erkennbar ist. Die Seite kontrast.at wird etwa von parlamentarischen Mitarbeitern der SPÖ betrieben. Die Zeit der Parteimedien scheint trotzdem größtenteils vorbei zu sein.
Kommunikationswissenschafter Eberl will FPÖ-nahe Infokanäle allerdings nicht mit anderen parteinahen Medien gleichsetzen: „Parteizeitungen haben meistens auch nach journalistischen Standards gearbeitet“, erklärt er.
Selbst das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) sah im Jahr 2016 die FPÖ-nahe Internetseite unzensuriert.at problematisch. In einem internen Bericht des Staatsschutzes wurde festgehalten, dass die „veröffentlichten Inhalte zum Teil äußerst fremdenfeindlich sind und antisemitische Tendenzen aufweisen“. Der damalige Chefredakteur und ehemalige FPÖ-Kommunikationschef ist mittlerweile für die Kommunikation im Kabinett von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) zuständig und will sich auf SN-Anfrage nicht mehr zu unzensuriert.at äußern.
Doch die Freiheitlichen haben noch einen viel wichtigeren Kanal, über den sie mit ihren Wählern direkt kommunizieren können: die sozialen Medien.
FPÖ-Chef Heinz-Christian Straches Facebook-Seite wurde über Jahre hinweg aufgebaut. 779.666 „Gefällt mir“hat seine Seite, er ist damit Spitzenreiter unter den heimischen Politikern. Die Freiheitlichen, so scheint es, sind nicht auf die klassischen Medien angewiesen. „Doch ganz so stimmt das nicht“, erklärt die Salzburger Kommunikationswissenschafterin Ursula Maier-Rabler. Sie beschäftigt sich an der Uni Salzburg mit digitalen Medienkanälen und erklärt, dass auch die Printmedien bislang noch gebraucht werden. „Ein Thema ist zumindest für die Bürger ab Mitte 30 erst dann real, wenn es in der echten Zeitung steht.“
Das sieht auch der freiheitliche Publizist Mölzer so: „Der reale politische Diskurs findet in den Mainstream-Medien statt“, sagt er. Deshalb sei er immer der Meinung gewesen, dass man auch den Dialog mit kritischen Medien suchen müsse. Ganz besonders als Regierungspartei. „Man kann als Minister den Medien und somit der Öffentlichkeit nicht das Gespräch verweigern“, so Mölzer.
„Strategie der FPÖ ergibt sich zwangsläufig.“