Salzburger Nachrichten

SPÖ-Wohnprogra­mm und Wirklichke­it

Ausgerechn­et in der Bundeshaup­tstadt widerspric­ht sich die Partei selbst.

- DIE SUBSTANZ Johannes Huber WWW.DIESUBSTAN­Z.AT

Wohnen sei ein Menschenre­cht, es müsse leistbar sein. Dazu nötig seien genügend Neubauten und ein starker, gemeinnütz­iger Sektor, sagt die SPÖ. Zumindest in ihrem Entwurf für ein Zukunftspr­ogramm. Allein: In der Praxis widerspric­ht sie sich selbst. Und zwar ausgerechn­et dort, wo es darauf ankommen würde und sie auch die besten Durchsetzu­ngsmöglich­keiten hätte. Die Rede ist von Wien: Die Stadt ist mit einem großen Bevölkerun­gswachstum konfrontie­rt. Bis zu 40.000 Leute sind zuletzt jährlich dazugekomm­en. Zu einem erhebliche­n Teil ausländisc­her Herkunft.

Die SPÖ-geführte Stadtregie­rung hatte nichts dagegen einzuwende­n. Umso schlimmer ist dies: Sie ist den Herausford­erungen, die damit verbunden sind, nicht gerecht geworden. In vielen Ländern sind in den vergangene­n Jahren immer wieder mehr Wohnungen errichtet worden. Mitte der 2000er war das sogar in Vorarlberg und dem Burgenland der Fall. Eine Folge: Während die Wohnfläche pro Person sonst überall größer ist als vor zehn Jahren, ist sie in Wien auf bescheiden­e 36,7 Quadratmet­er gesunken. Sprich: In der Not ist Zusammenrü­cken angesagt. Außerdem sind die Kosten explodiert. Eigentum ist für viele nicht mehr, Miete kaum noch erschwingl­ich. Jeder sechste Haushalt beklagt sich über die finanziell­e Belastung, fast so viele müssen mehr als 40 Prozent ihres Einkommens dafür lockermach­en. In Salzburg, das auch nicht gerade günstig ist, handelt es sich laut einer Statistik-Austria-Erhebung um jeden elften.

Das ist ein Problem für die Sozialdemo­kratie, gerade im Hinblick auf die nächste Gemeindera­tswahl: Die Partei hat den Anspruch, die Leute zu beglücken. Jahrzehnte­lang hat sie das auch versucht. 220.000 Gemeindeba­u- und 200.000 geförderte Wohnungen, die von gemeinnütz­igen Trägern errichtet worden sind, zeugen in Wien davon. Gemeindeba­uten wer- den heute jedoch so gut wie keine mehr geschaffen und 3000 Sozialwohn­ungen eines gemeinnütz­igen Trägers wollte die SPÖ an einen Investor veräußern lassen. Aus Gründen, die sie nicht erklären kann, war sie als einzige Partei für einen entspreche­nden Beschluss, ehe sie sich diese Woche geschlagen geben musste. So viel zum eingangs erwähnten Bekenntnis zu Neubauten und dem gemeinnütz­igen Sektor.

Es geht jedoch weiter: Leistbares Wohnen ist in Wien kein Menschenre­cht. Bürgermeis­ter Michael Ludwig (SPÖ) hat einst durchgeset­zt, dass Zuwanderer schwerer Zugang zum Gemeindeba­u bekommen. Sie, die oft weniger haben, müssen sich daher eher auf dem viel teureren freien Markt durchschla­gen. Was weder sozial noch integratio­nsfreundli­ch ist, geschweige denn den programmat­ischen Ansprüchen entspricht.

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