SPÖ-Wohnprogramm und Wirklichkeit
Ausgerechnet in der Bundeshauptstadt widerspricht sich die Partei selbst.
Wohnen sei ein Menschenrecht, es müsse leistbar sein. Dazu nötig seien genügend Neubauten und ein starker, gemeinnütziger Sektor, sagt die SPÖ. Zumindest in ihrem Entwurf für ein Zukunftsprogramm. Allein: In der Praxis widerspricht sie sich selbst. Und zwar ausgerechnet dort, wo es darauf ankommen würde und sie auch die besten Durchsetzungsmöglichkeiten hätte. Die Rede ist von Wien: Die Stadt ist mit einem großen Bevölkerungswachstum konfrontiert. Bis zu 40.000 Leute sind zuletzt jährlich dazugekommen. Zu einem erheblichen Teil ausländischer Herkunft.
Die SPÖ-geführte Stadtregierung hatte nichts dagegen einzuwenden. Umso schlimmer ist dies: Sie ist den Herausforderungen, die damit verbunden sind, nicht gerecht geworden. In vielen Ländern sind in den vergangenen Jahren immer wieder mehr Wohnungen errichtet worden. Mitte der 2000er war das sogar in Vorarlberg und dem Burgenland der Fall. Eine Folge: Während die Wohnfläche pro Person sonst überall größer ist als vor zehn Jahren, ist sie in Wien auf bescheidene 36,7 Quadratmeter gesunken. Sprich: In der Not ist Zusammenrücken angesagt. Außerdem sind die Kosten explodiert. Eigentum ist für viele nicht mehr, Miete kaum noch erschwinglich. Jeder sechste Haushalt beklagt sich über die finanzielle Belastung, fast so viele müssen mehr als 40 Prozent ihres Einkommens dafür lockermachen. In Salzburg, das auch nicht gerade günstig ist, handelt es sich laut einer Statistik-Austria-Erhebung um jeden elften.
Das ist ein Problem für die Sozialdemokratie, gerade im Hinblick auf die nächste Gemeinderatswahl: Die Partei hat den Anspruch, die Leute zu beglücken. Jahrzehntelang hat sie das auch versucht. 220.000 Gemeindebau- und 200.000 geförderte Wohnungen, die von gemeinnützigen Trägern errichtet worden sind, zeugen in Wien davon. Gemeindebauten wer- den heute jedoch so gut wie keine mehr geschaffen und 3000 Sozialwohnungen eines gemeinnützigen Trägers wollte die SPÖ an einen Investor veräußern lassen. Aus Gründen, die sie nicht erklären kann, war sie als einzige Partei für einen entsprechenden Beschluss, ehe sie sich diese Woche geschlagen geben musste. So viel zum eingangs erwähnten Bekenntnis zu Neubauten und dem gemeinnützigen Sektor.
Es geht jedoch weiter: Leistbares Wohnen ist in Wien kein Menschenrecht. Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) hat einst durchgesetzt, dass Zuwanderer schwerer Zugang zum Gemeindebau bekommen. Sie, die oft weniger haben, müssen sich daher eher auf dem viel teureren freien Markt durchschlagen. Was weder sozial noch integrationsfreundlich ist, geschweige denn den programmatischen Ansprüchen entspricht.